Europa im Kleinen

, von  Julius Leichsenring

Europa im Kleinen
Die Kolumne „Wir in Europa“ erscheint jeden Sonntag auf treffpunkteuropa.de. Autoren berichten im Wechsel über ihre persönlichen Erlebnisse mit der EU, was es bedeutet, Europäer zu sein und welche Ängste und Hoffnungen sie mit der Gemeinschaft verbinden. – Foto: © European Commission / 2004

Oft ist von Straßburg oder Brüssel die Rede, wenn es um die EU geht. Dabei sind es gerade die lokalen Regionen, die uns die Erfolge der Staatengemeinschaft vor Augen führen. Der Wandel der einst gefährlichsten Straße Deutschlands ist dafür nur ein Beispiel.

Sie gilt als gefährlichste Straße Deutschlands: die Eisenbahnstraße in Leipzig. Zumindest behauptete das vor geraumer Zeit ein privater TV-Sender. Vergangene Woche strandete ich unverhofft auf dieser Magistrale im Osten der sächsischen Stadt, als ich mich auf dem Weg zu einem Freund befand. Einen unbekannten Weg ausprobieren, die Stadt von einer anderen Seite kennenlernen, das war mein Plan. Erst später erzählte mir mein Freund von dem eher fragwürdigen Ruf der Straße. „Alles Quatsch“, sagte er. „Das war vielleicht früher mal so.“ Tatsächlich konnte ich weder wilde Schießereien, noch zwielichtige Drogendelikte beobachten. Für mich war es eine Straße, die es dutzendfach in deutschen Großstädten gibt: Langezogen, einige verfallene Häuser an den Seiten, Straßenbahnen, die minütlich an einem vorbeifahren. Überraschender war eher, dass sich neben Kneipen, Hundesalons und einem Sozialkaufhaus ein eigenes Info-Center auf der Hauptverkehrsader des Leipziger Ostens befindet.

Einen nette Frau Anfang 40 begrüßt einen dort. Sie erzählt, dass man die Eisenbahnstraße früher vor allem Nachts eher gemieden hätte. Heute würden sich aber immer mehr „seriöse“ Geschäfte ansiedeln, nachdem die Beleuchtung, der Gehweg und die Straße erneuert wurden. In naher Zukunft soll die Magistrale eine belebte Einkaufsmeile sein - so das Ziel der Stadt. Die Eisenbahnstraße steht Pate für den Leipziger Osten, der in den vergangenen Jahren einen phänomenalen Wandel hingelegt hat. Die einstige Schmuddelecke der sächsischen Großstadt ist nun ein Anziehungspunkt für Studenten und Künstler.

Zwar sieht man sie beim Gang durch die Stadtteile Reudnitz oder Neustädter Markt noch - alte, marode Gemäuer. Sie ragen aber wie stille Zeugen einer vergangenen Zeit zwischen frisch verputzten Häusern hervor. Dazwischen befinden sich Gemeinschaftsgärten mit dem Namen „Studentenfutter“, Ateliers und Jugendclubs. Regelmäßig finden Nachbarschaftscafés statt, es gibt ein eigenes Stadtteilkulturfestival und jede Menge Stammtische zu verschiedensten Themen. Der Stadtbezirk fängt an, zu pulsieren - spürbar. Zu verdanken ist das vor allem dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ - EFRE. Seit 2000 hat die Stadt knapp 13 Millionen Euro aus dem Topf erhalten. Er soll verhindern, dass ärmere Regionen in der EU den Anschluss nicht verpassen. Gefördert werden deswegen Projekte, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln, die lokale Wettbewerbsfähigkeit stärken und die internationale Zusammenarbeit ausbauen.

Im Leipziger Osten ist das Programm ein voller Erfolg und zeigt, dass Europa eben doch etwas bewegt – nicht nur mit Geld. Denn die Vergabe der Fördermittel ist an strenge Auflagen gebunden. Werden sie nicht eingehalten, drohen Rückzahlungen. Es sind eben nicht nur die oft argwöhnisch betrachteten Bürokraten in Brüssel oder Straßburg, die über das alltägliche Leben Millionen von Menschen entscheiden. Die EU ist vielmehr ein Zusammenspiel der verschiedensten Ebenen. Zu oft werden dabei die lokalen Regionen ignoriert. Dabei sind es gerade sie, die uns die EU näher bringen und zeigen, welche Erfolge sie mit sich bringt. Man muss nur die Augen offen halten - auch in deinem Ort oder deiner Region gibt es mit Sicherheit eine europäische Erfolgsgeschichte.

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