Europäische Perspektive: Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit

, von  Gesine Weber, Juuso Järviniemi, Laura Mercier, übersetzt von Can Yildiz, übersetzt von Marie Menke

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Europäische Perspektive: Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit
Die Situation für Journalist*innen hat sich in vielen Ländern Europas im vergangenen Jahr deutlich verschlechtert. Foto: moritz320/ pixabay / CC0 1.0

In keiner Region weltweit hat sich die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr so rapide verschlechtert wie in Europa. Die Chefredakteur*innen von The New Federalist, Le Taurillon und Treffpunkt Europa kommentieren.

Juuso Järviniemi, Chefredakteur The New Federalist: „Bis wir es als selbstverständlich hinnehmen“

Es ist bezeichnend, dass es ausgerechnet diese Europäische Perspektive überhaupt geben muss. Als solche bezeichnen wir Texte über einzelne aktuelle Themenbereiche. Eigentlich sollte der Internationale Tag der Pressefreiheit nichts sein, das für allzu viel Aufregung unter Europäer*innen sorgen sollte. Einschränkungen selbiger sollten doch etwas sein, das vor langer Zeit ein weit verbreitetes Problem in unserer Gesellschaft war, aber dies längst nicht mehr ist – so wie Polio oder die Pest. Trotzdem feiern wir diesen Tag, trotzdem muss die Pressefreiheit auch 2018 in der Europäischen Union aktiv verteidigt werden. Wir haben wieder und wieder Regierungen wie die ungarische unter Viktor Orbáns dafür kritisiert, dass sie die Pressefreiheit einschränken. Unsere vorherige Europäische Perspektive, in der es um eben dieses Thema ging, wurde sogar ins Ungarische übersetzt. Kurier Europejski schließt außerdem eine wichtige Lücke im polnischen Medienbereich und in zahlreichen Stellungsnahmen hat sich JEF Europa für Pressefreiheit als europäischen Wert ausgesprochen.

Polio kann verhindert werden, indem Menschen geimpft werden, und die moderne Medizin hat es geschafft, die Krankheit aus unserer Welt zu verbannen. Angriffe auf die Pressefreiheit können jederzeit auftreten – selbst in dem Moment, in dem wir eigentlich dachten, dass unsere Arbeit getan wäre. Aber – wie auch im Fall von Polio – ist es möglich, derartige Angriffe ganz von der Tagesordnung zu streichen. Als der finnische Premierminister Juha Sipilä während seines jetzigen Mandats versuchte, die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zu beeinflussen, indem er wütende E-Mails an dessen Journalisten verschickte, sah er sich mit einer direkten und mächtigen Gegenreaktion konfrontiert. Solche Gegenreaktionen sind genau die Reflexe, die wir brauchen. Wir werden die Pressefreiheit verteidigen, bis sich derartige Reaktionen in ganz Europa verbreitet haben – bis diese Freiheit selbstverständlich ist.

Laura Mercier, Chefredakteurin von Le Taurillon: „Eine Freiheit, die es zu verteidigen gilt und Journalisten, die es zu ehren gilt“

Heute ist der 25. Welttag der Pressefreiheit, was Gelegenheit dazu bietet, uns noch einmal ihre Grundsätze ins Gedächtnis zu rufen. Die Pressefreiheit ist das erste von vier Menschenrechten, die in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte aus dem Jahre 1789 genannt werden. Es ist ein wertvolles Recht, das mit Meinungsfreiheit, freier Meinungsäußerung und faktisch auch mit Demokratie einhergeht. Doch wir sehen die Pressefreiheit oft als zu selbstverständlich an, profitieren wir doch selbst Tag für Tag von diesem Recht, in dem wir Artikel in mehreren Sprachen veröffentlichen und an diesem Medium arbeiten, dessen Hauptziel es ist, jedem eine Plattform zu bieten. Die Pressefreiheit ist ein Recht, dass es wertzuschätzen und vor allem zu verteidigen gilt. Denn wird sie missachtet, bedroht oder eingeschränkt sind wir alle betroffen.

Deshalb ist der 3. Mai auch ein wichtiger Tag, um Journalisten zu gedenken und zu ehren, die für ihre Arbeit von diesem Recht Gebrauch machten, inhaftiert oder getötet wurden. Dies ist ein Tag, um ihre Arbeit, von der sie suspendiert und ihre Veröffentlichungen, die zensiert wurden zu würdigen. Voltaire schrieb einst “Das Recht zu sagen und abzudrucken, was wir denken, ist das Recht eines jeden freien Menschen, das wir ihm nicht nehmen können, ohne abscheulichste Tyrannei ausüben zu müssen.” Tyrannei ist auch dem 21. Jahrhundert nicht unbekannt, es ist kein Übel der Vergangenheit. Tyrannei kennt keine Grenzen, Freiheit jedoch auch nicht. Die EU muss handeln und diese wertvolle Freiheit, die von den Tyrannen dieses Jahrhunderts innerhalb ihrer eigenen Grenzen bedroht und unterdrückt wir, verteidigen und beschützen. Zudem muss die EU ihre Stimme erheben, um dieses universelle Recht im Namen der Demokratie und europäischer Werte auch außerhalb ihrer Grenzen zu verteidigen. Was uns angeht, werden wir auch weiterhin von unserem Recht Gebrauch machen und jedem, der sich ausdrücken, andere informieren und den zum Schweigen gebrachten eine Stimme geben möchte, die Möglichkeit bieten, unsere Plattform zu nutzen.

Gesine Weber, stellvertretende Chefredakteurin von Treffpunkt Europa: „Die EU muss jetzt mehr denn je für Pressefreiheit eintreten“

Am 25. April hat die internationale Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen ihre jährliche Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht, die unter anderem die Situation von Journalist*innen, die Unabhängig der Medien, Zensur und rechtliche Rahmenbedingungen mit einbezieht. Das schockierendste an diesem Bericht ist, dass sich in keiner anderen Region weltweit die Situation der Pressefreiheit so rapide verschlechtert hat wie in Europa. Diese Entwicklung ist überaus alarmierend: Während seit Jahren europäische Staaten wie die Niederlande oder Schweden die Rangliste anführen, sieht sich die EU mit einer stetig wachsenden Kluft zwischen ihren Musterschülern und jenen Mitgliedstaaten konfrontiert, die Pressefreiheit systematisch verletzen, wo Journalist*innen auf Grund ihres Berufs ermordet werden und wo die kritische Presse, die darüber berichten könnte, zensiert oder zwangsverstaatlicht wird.

Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit müssen wir daran erinnern, dass Pressefreiheit nicht an nationalen Grenzen endet. Wenn der Bericht von Reporter ohne Grenzen von einer “Erosion des europäischen Modells” spricht, dann muss das für die Europäische Union ein Weckruf sein, sich klar zu dem zu bekennen, was sie in ihren Verträgen festgeschrieben hat: Laut Artikel 2 des Lissabon Vertrags gründet sich die EU auf die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte - und dass zu letzteren auch die Pressefreiheit gehören muss, ist nicht nur selbstverständlich, sondern findet sich auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Brüssel darf nicht tatenlos zusehen, wie eines der fundamentalsten Kriterien ein funktionierendes demokratisches System in immer mehr Staaten signifikant missachtet werden: Die EU muss nationale Regierungen ermahnen, wenn Journalist*innen bedroht, verfolgt oder auf Grundlage fadenscheiniger Argumente verhaftet und die freie Presse systematisch ausgeschaltet wird, sie muss auf die Einhaltung dieses fundamentalen Grundrechts pochen und bei einer Überschreitung der roten Linien der Grundrechte eingreifen - notfalls mit ihrem schärfsten Schwert, dem Verfahren aus Artikel 7 zur Sanktionierung einer Verletzung der europäischen Werte.

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