Worte haben eine Bedeutung
„Nichts darf einen Namen erhalten, aus Angst, dass dieser Name selbst es nicht verändert“, sagte Virginia Woolf in einer ihrer Schriften. Während es undenkbar erscheint, einen Zuständigkeitsbereich nicht zu benennen, markiert die Wahl seines Namens seine Identität und den Inhalt der Politik, die unter ihm stattfinden wird. Ich wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass man den Namen nicht überinterpretieren darf. Dass neben dem Titel der Zuständigkeitsbereiche auch noch Aufgabenbeschreibungen existieren. Aber die Tatsache zu leugnen, dass auch die Wahl eines Namens eine Bedeutung hat, wäre genauso absurd. Nehmen wir an, ein Ministerium hätte den Namen „Geflüchtete menschlich und angemessen willkommen heißen“ und ein anderes „Kampf gegen Einwanderung und Schutz der nationalen Identität“. Wer könnte auch nur einen Moment glauben, beide würden die gleiche Botschaft nach außen tragen? Beide hätten wohl die gleiche Funktion und würden sich um die gleichen Themenbereiche kümmern. Doch die Herangehensweise, wie die Funktionen erfüllt werden, wären wahrscheinlich sehr unterschiedlich. Welche Botschaft möchte also die Europäische Kommission im Hinblick auf den Zuständigkeitsbereich „Innovation und Jugend“ transportieren?
Bildung, Kultur und Sport sind aus der Botschaft verschwunden
Der Zuständigkeitsbereich „Innovation und Jugend“ soll eine neue Dynamik verkörpern, unter anderem im Anschluss an den Zuständigkeitsbereich „Bildung, Kultur, Jugend und Sport“, der in der Kommission unter Junker existiert hat. Man stellt also fest, dass der „neue Elan“ anscheinend nicht Bildung, Kultur und Sport zur Priorität machen möchte, diese drei Worte verschwinden schlicht und ergreifend bei der Benennung der Zuständigkeitsbereiche der Kommission Von der Leyen. Dieses Verschwinden ist alles andere als unbedeutend. Wie kann man ernsthaft „einen neuen Elan für die Europäische Demokratie“ verkörpern, wenn man nicht den Aufbau der Grundpfeiler priorisiert, die für eine stabile Demokratie notwendig sind? Bildung ist der Nährboden für kritisches Denken und einer der effizientesten Ansatzpunkte, wenn es darum geht, soziale Ungleichheiten zu korrigieren. Warum lässt man sie brach liegen? Kultur und Sport sind Treiber von Inklusion und Teilhabe, dieser bekannten Werte, die das Bindemittel bieten, dass wir so dringend in einer durch Populismus gespaltenen europäischen Gesellschaft brauchen, die viel zu oft durch ihre Unterschiede gespalten ist. Hat Ursula Von der Leyen vergessen, was es bedeutet, Bürger*in zu sein? Im Französischen ist dieser Sinn sogar im Wort „citoyen*ne“ enthalten. Es leitet sich vom Wort „Cité“ ab, was Stadt bedeutet, und kommt von dem Gedanken, gemeinsam in der Stadt zu leben und gemeinsam gewillt zu sein, sich zum Wohle der Stadt zu engagieren. Doch wie soll man eine solche Gemeinschaft sein, wenn man sich weigert, sie zu erbauen?
Innovation und Jugend, ein zu kleines Vorhaben für die Europäische Jugend?
Wenn das Fehlen der Worte Bildung, Kultur und Jugend einen Sinn hat, so hat die Gegenüberstellung der Worte Innovation und Jugend ebenfalls eine Bedeutung. Optimist*innen würden ohne Zweifel zu dem Schluss kommen, dass es aussagen soll, dass die Jugend die Zukunft der Europäischen Union ist und die Hauptquelle der Innovation. Allerdings sieht dies die Inhaberin des Zuständigkeitsbereiches wohl anders. Mariya Gabriel, die zuvor mit der Europäischen Urheberrechtsreform beauftragt war, neigt dazu, die Jugend auf ihren Status als digitale Generation zu reduzieren. Doch die Jugend ist mehr als das. Sie ist digital verbunden, doch hat zugleich auch einen Bezug zu alltäglichen Problemen. Während ein Teil der Jugend sich als technologisch innovative Unternehmer*innen innerhalb der Start-Up Nation oder eines maximal digitalisierten Staates, wie Estland ihn anstrebt, erträumt, sucht ein anderer Teil nach anderen Konsum-Modellen, jenseits des Kapitalismus. Doch diese Teile der Jugend sind keine Gegensätze, denn was auch immer der von ihnen gewählte Weg ist, ihr Wille ist immer der gleiche: Sie fordern ihr Recht ein, ihre Zukunft zu gestalten.
Der Weg von Mariya Gabriel als Kommissarin wird ohne Zweifel lang und verschlungen sein. Sie steht zwei Haupt-Fallstricken gegenüber, und als Jugend Europas können wir nur hoffen, dass sie diese umgeht. Den ersten dadurch, die Jugend in erster Linie als Bürger*innen wahrzunehmen und weniger als Wirtschaftsobjekte. Der Lösung zum zweiten, nicht nur einen Teil der Jugend zu adressieren und aufhören zu vergessen, dass Europa es endlich der Jugend erlauben muss, ihre Zukunft frei zu gestalten.
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