Europas Trump-Flüsterer

, von  Gesine Weber

Europas Trump-Flüsterer
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron vergangene Woche in Washington: Verstanden, was Trump gefällt. Foto: Amaury Laporte / Flickr / CC BY-NC 2.0

Vergangene Woche hat Donald Trump den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu einem Staatsbesuch in Washington empfangen - als ersten ausländischen Staatschef überhaupt. Für die EU könnte Macron zur wichtigsten außenpolitischen Figur in den Beziehungen zu den USA werden.

Deutlicher hätte Donald Trump seine Sympathien gegenüber unterschiedlichen europäischen Staats-und Regierungschef*innen nicht zeigen können: Als der französische Präsident Emmanuel Macron zu Beginn der vergangenen Woche nach Washington reiste, wurden ihm alle Ehren eine Staatsbesuchs zuteil, von Militärparade bis zum Dinner mit den politischen und wirtschaftlichen Eliten der USA und Frankreichs. Dagegen erschien der Arbeitsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Ende der Woche wie ein protokollarischer Minimalstandard - ohne großen diplomatischen Eclat, professionell, die Stimmung eisig. Der US-Präsident und die Kanzlerin tun sich deutlich schwer, ihre gegenseitige Antipathie zu überspielen, von den inhaltlichen Differenzen ganz zu schweigen. Vor allem die deutschen Exporte in die USA sind Trump dabei ein Dorn im Auge, was er nicht müde wird zu betonen. Auch wenn der französische Staatspräsident Macron von Trump inhaltlich ebenfalls weit entfernt ist, ist ihm gelungen, woran die Kanzlerin seit anderthalb Jahren scheitert: Macron ist Europas Sympathieträger Nummer eins im Weißen Haus - und vielleicht auch der einzige.

Strategie: Erst große Gesten, dann scharfe Kritik

Die Strategie des französischen Staatspräsidenten gegenüber den USA ist bemerkenswert: Seit seinem ersten Tag im Amt hat sich Macron sichtlich um die Beziehungen zu Donald Trump bemüht; dieser Erfolg scheint sich jetzt auszuzahlen. Nur wenige Wochen nach seiner Wahl lud Macron seinen amerikanischen Amtskollegen zum französischen Nationalfeiertag im Juli 2017 ein, um mit ihm gemeinsam den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren zu feiern. Gemeinsam fuhren die beiden Präsidenten in einem offenen Militärfahrzeug bei der traditionellen Militärparade vom Triumphbogen die Pariser Champs Elysées herab, es war eine symbolträchtige Inszenierung. Nachdem Trump im Wahlkampf wie auf Veranstaltungen der konservativen Partei immer wieder die französische Anti-Terror-Politik aufs schärfste kritisiert und die Terroranschläge von Paris und Nizza für seine Einwanderungspolitik instrumentalisiert hatte, schwärmte er am Nationalfeiertag vom „wunderschönen, unglaublichen“ Paris. Emmanuel Macron hat begriffen, dass sich der US-Präsident mit solchen Inszenierungen gewinnen lässt, und dass man auf Trumps Macho-Verhalten am besten ebenfalls mit Alphamännchen-Getue antwortet. Dass er dem US-Präsidenten durchaus Paroli bieten könne und werde, machte bereits zuvor sein Handschlag mit Donald Trump auf dem NATO-Gipfel im Mai 2017, mit dem er die Hand des US-Präsidenten regelrecht einquetschte und betont lange festhielt, durchaus deutlich.

Auch bei dem Staatsbesuch vergangene Woche in Washington setzte Macron auf ein altbewährtes Muster: Zunächst schmeichelt er dem Präsidenten, betont die historische Wichtigkeit der französisch-amerikanischen Beziehungen und ihre gemeinsame Verantwortung, sich weltweit für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte einzusetzen. Damit schafft er eine Sympathiebasis mit Trump, die umso wichtiger ist, wenn schwierige politische Themen auf der Agenda stehen. Hat er den Präsidenten für sich gewonnen, übt Macron deutliche Kritik an den politischen Projekten Trump und versucht, wichtige Akteure im politischen System der USA von einer alternativen Politik zu überzeugen. In seiner Rede vor dem amerikanischen Kongress, einem der letzten Programmpunkte im Rahmen seines Staatsbesuchs, sprach sich Macron dann deutlich gegen die amerikanische „America First“-Politik aus: Die einzige Option, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, sei ein „effizienterer, verantwortlicherer und auf Ergebnisse ausgerichteter Multilateralismus“ - und es sei an den USA, diesen Multilateralismus zu bewahren und neu zu erfinden. Obwohl Emmanuel Macron zweifellos während seiner Präsidentschaft darauf zielt, die Rolle Frankreichs in der Welt nach einer schwachen Amtszeit seines Vorgängers Hollande zu stärken, stellt er sich mit seinem Bekenntnis zu internationaler Kooperation und Multilateralismus klar in den Dienst der EU, die sich in ihrer Globalen Strategie einer multilateralen regelbasierten Ordnung verschreibt.

Europas einziger wirksamer Vertreter

Wie wenig Donald Trump die komplexe Verteilung von Zuständigkeiten zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten verstanden hat, als Trump im bilateralen Gespräch mit Angela Merkel sagte, er wolle ein Freihandelsabkommen aushandeln. Dass die Kompetenzen im Bereich Außenhandel seit Jahren bei der EU liegen und die deutsche Bundeskanzlerin damit nicht über ein Freihandelsabkommen mit den USA entscheiden kann, war dem US-Präsidenten scheinbar nicht bewusst.

Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger fragte einmal, wen er anrufen müsse, wenn er mit Europa sprechen wolle. In Anbetracht der Tatsache, dass beispielsweise beim letzten Treffen zwischen der EU und den USA im Januar 2018 mit Kommissionspräsident Juncker, Ratspräsident Tusk und der Außenbeauftragten - von Juncker vereinfachend als „Außenministerin“ vorgestellt - am Tisch saßen, ist die Verwirrung der Partner der EU in gewissem Maße nachvollziehbar. Anstatt sich durch den institutionellen Dschungel der EU zu schlagen, scheint Donald Trump in Emmanuel Macron eine Art Allzweck-Ansprechpartner für europäische Fragen zu sehen, trotz dessen offener Kritik an den USA. Es ist nicht vorstellbar, dass einem*einer EU-Spitzenpolitiker*in in Washington ähnliche Ehren zuteil werden wie Macron vergangene Woche. Zwar kommen aus Brüssel immer wieder Forderungen nach einer kohärenten europäischen Außenpolitik und einer gemeinsamen erkennbaren Linie, gleichzeitig sind sich die Spitzenpolitiker*innen in Brüssel aber genauso bewusst, dass ein*e EU-Vertreter*in in Washington auf Granit beißen könnte. Seine besondere Beziehung zum US-Präsidenten könnte Emmanuel Macron erlauben, nicht nur Frankreichs Interessen, sondern auch die Interessen der EU gegenüber Trump zu vertreten - wenn Brüssel ihn lässt. Für EU-Außenpolitiker*innen wird sich damit die Frage stellen, wie viel französische Führung sie in der Gestaltung der Beziehungen zwischen der EU und den USA akzeptieren kann, um ihre Ziele durch die Hintertür zu erreichen.

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