Als 2013 ein neues Team für treffpunkteuropa.de gesucht wurde, war Franziska Pudelkos Name unter den Bewerber*innen. Zweieinhalb Jahre lang, davon eineinhalb als Stellvertreterin und eines als Chefredakteurin, engagierte sie sich für treffpunkteuropa.de, redigierte in dieser Zeit unzählige Beiträge und erlebte die Europawahlen 2014 als Teil des Redaktionsteams. Daneben studierte sie Politikwissenschaft und Humangeographie in Trier und im schwedischen Lund sowie European und Global Studies im belgischen Leuven, von wo aus sie schließlich für ein Praktikum und ihren anschließenden Job nach Brüssel zog. Eins ist klar: Losgelassen hat das Thema Europa sie bislang nicht.
treffpunkteuropa.de: Seitdem Du die Redaktionsleitung abgegeben hast, arbeitest Du im Europäischen Parlament. Wie ist es dazu gekommen?
Meinen Master habe ich in Leuven, einer kleinen Student*innenstadt in Belgien, knapp 20 Minuten mit dem Zug von Brüssel entfernt, studiert. Danach habe ich als Praktikantin in Reinhard Bütikofers Brüsseler Büro im Europäischen Parlament gearbeitet, anschließend dann eine Weile als Elternzeitvertretung für einen anderen grünen Europa-Abgeordneten. Jetzt bin ich wieder im Büro von Reinhard Bütikofer als Parlamentarische Assistentin gelandet. Dort betreue ich den Handelsausschuss (INTA) und die US-Delegation. Alle Handelsthemen landen im Büro also zunächst einmal auf meinem Tisch. In erster Linie arbeite ich an Gesetzestexten sowie an Stellungsnahmen mit, verfasse Briefings, nehme an Terminen teil und organisiere Veranstaltungen. Manchmal schreibe ich Texte für seine Webseite oder entwerfe andere Beiträge.
Bei treffpunkteuropa.de warst du zwei Jahre lang. Wie bist du zu uns gekommen?
Als ich für zwei Erasmussemester in Schweden studiert habe, habe ich dort für das studentische Onlinemagazin „Utrikesperspektiv.se“ über außenpolitische Themen geschrieben. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich zurück an meiner Heimatuni in Trier weiter in meiner Freizeit an einem Onlinemagazin mitarbeiten wollte. Die Ausschreibung der Jungen Europäischen Föderalist*innen für ihr Onlinemagazin kam dann wie gerufen. Zu viert übernahmen Eva, Julius, Federico und ich die Redaktion von Vincent Venus, dem vorherigem Chefredakteur. Zunächst fing ich als stellvertretende Chefredakteurin von Julius an, später übernahm ich seinen Posten. Im Team sind wir uns immer auf Augenhöhe begegnet, denn nur zu viert konnten wir das Onlinemagazin bekannter machen und erfolgreicher sein als alleine.
Redaktionsarbeit bedeutet Teamarbeit. Wie habt ihr zu viert zusammengearbeitet?
Wir haben jeden Sonntagabend geskypt - ohne Ausnahme. Mein Sonntagabend war für treffpunkteuropa.de reserviert. Gerade deshalb war es immer besonders, wenn wir uns ab und zu persönlich trafen. Wir stemmten ein so großes virtuelles Projekt über Distanz und über Skype-Konferenzen, die persönlichen Treffen haben uns dafür viel Kraft gegeben. Ich wusste dann, dass ich nicht alleine war, sondern dass es da noch drei gab, die ihr Herzblut und ihre Freizeit ebenfalls in das Magazin gesteckt haben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Eva, unsere Social Media-Redakteurin, Bücher gewälzt hat, um sich zu überlegen, wie wir auf Facebook mehr Reichweite erzielen können, und wir uns gemeinsam immer neue Strategien überlegten und neue Funktionen ausprobierten. Wir waren bereit, sehr viel von unserer Freizeit in das Onlinemagazin zu investieren– und gerade deshalb war es für uns eine Bereicherung.
Gab es rückblickend einen Moment, an dem Du besonders an deine Zeit bei treffpunkteuropa.de erinnert wurdest?
Stolz gemacht hat mich, dass ein grüner Abgeordneter vor einiger Zeit einen Artikel von treffpunkteuropa.de via E-Mail mit der grünen Fraktion im Europaparlament teilte. Das zeigte mir, dass die Artikel von treffpunkteuropa.de auch auf der politischen Ebene ankommen.
Jede*r Chefredakteur*in setzt eigene Schwerpunkte. Was war Dir in Deiner Zeit in der Redaktionsleitung besonders wichtig?
Mir war die Qualität der Artikel sehr wichtig, wenn ich Texte redigierte. Ich wollte meine journalistischen Kenntnisse, die ich durch Praktika erworben hatte, so gut wie möglich umsetzen und hatte dabei einen vielleicht manchmal etwas zu hohen Anspruch (lacht). Während meiner Praktika habe ich aber auch angehende Journalist*innen kennen gelernt, die wir als Autor*innen für unser Magazin anwerben konnten. Auch mit diesen erfahreneren Autor*innen konnten wir die Qualität der Artikel steigern. Für sie war es zugleich eine gute Gelegenheit, Artikel für zukünftige Bewerbungen zu sammeln und sich auszuprobieren. Aus einigen von unseren ehemaligen Autor*innen sind mittlerweile richtig gute Journalist*innen geworden.
Ich glaube, das Magazin profitiert sehr davon, dass die Redaktion immer wieder wechselt und mal frischer Wind reinkommt. Als ich ging, hatte ich das Gefühl schon viel Energie in das Magazin gesteckt zu haben, aber auch dass es Zeit für etwas neues wurde - sowohl für treffpunkteuropa.de als auch für mich. Insgesamt konnten wir auf eine erfolgreiche Zeit zurückblicken und haben sehr viel gelernt und für zukünftige Tätigkeiten mitgenommen - und das Onlinemagazin entwickelt sich immer noch weiter.
Das klingt, als hättest du in deiner Zeit bei treffpunkteuropa.de viel gelernt, wovon du auch heute im Beruf profitierst!
Auf jeden Fall! Meine Arbeit für treffpunkteuropa.de hat sicherlich dazu beigetragen, dass ich heute im Europäischen Parlament arbeite. Meine Leidenschaft für die Europäische Union hat sich durch unser Onlinemagazin gefestigt und verstärkt. In der Redaktion habe ich außerdem gelernt, sehr gut im Team zu arbeiten – das ist eine Fähigkeit, die mir jeden Tag in meinem Job hilft und für jede Arbeit im Zusammenhang mit der EU unumgänglich ist. So wie ich bei treffpunkteuropa.de mit den Redakteur*innen und Autor*innen zusammen gearbeitet habe, arbeite ich heute zum Beispiel mit Kolleg*innen zusammen oder unterstütze unsere Praktikant*innen. Ich habe viel darüber gelernt, was es heißt, ein Onlinemagazin zu führen, habe selbst Artikel geschrieben und redigiert und dabei meine Schreibfähigkeiten verbessert. Es war eine sehr lehrreiche und spaßige Zeit, die ich nicht missen möchte.
Aus Brüssel kannst Du beobachten, wie deutsche Medien über die EU berichten: Hast Du das Gefühl, dass die EU angemessen repräsentiert wird?
Wir haben in Brüssel gute Korrespondent*innen, die verstehen, was auf europäischer Ebene passiert. Mit Euractiv, politico und EUObserver gibt es drei Magazine, die fast ausschließlich aus europäischer Perspektive berichten und in Brüssel sehr stark vertreten sind. Um sie kommt man in seiner täglichen Arbeit in Brüssel nicht herum.
Ich würde mir aber wünschen, dass die Berichterstattungen nationaler Medien positiver über die EU ausfallen und mehr Platz für EU-Themen geschaffen würde. Von der Berichterstattung mancher (kleinerer) Zeitungen vor Europawahlen war ich eher enttäuscht und hätte mir mehr kreative und informierte Beiträge gewünscht. Dafür braucht es vor allem mehr Korrespondent*innen, auch von kleineren Medienkanälen, die vor Ort sind und sich ausschließlich mit EU-Themen befassen und darüber berichten. Doch die Schwerpunkte werden leider immer noch in den Mitgliedsstaaten gelegt. Ich erinnere mich an einen Vorschlag aus meiner Zeit bei treffpunkteuropa.de zu einem gemeinsamen europäischen Fernsehkanal: Das wäre zum Beispiel ein bemerkenswertes europäisches Medienprojekt!
Was sind für Dich die größten Herausforderungen, vor denen die EU steht?
Die größte Herausforderung in nächster Zeit wird auf jeden Fall sein, welche Lehren wir aus dem Brexit ziehen, wie die EU in der Öffentlichkeit nach dem Brexit dargestellt wird, aber auch wie Politiker*innen damit umgehen. Jede*r demokratische*r Politiker*in sollte inzwischen wissen, dass es fatale Folgen haben kann, derartig leichtfertig Wahlen auszurufen, die über so etwas Wichtiges wie den Verbleib in der EU entscheiden. Auch der Umgang mit nationalistischen Kräften innerhalb und außerhalb der EU wird eine große Rolle spielen.
Sehr gespannt bin ich außerdem auf die Bürgerdialoge, die Ursula von der Leyen plant. Ich glaube, sie können eine Chance sein, die Bürger*innen wieder für Europa zu begeistern. Es kann aber auch schiefgehen, wenn die Dialoge nur eine kleine, privilegierte Öffentlichkeit erreichen und wenn sie keine umsetzbaren Ergebnisse erzielen.
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