Europa ist – bei allen möglichen und berechtigten Vorbehalten – eine funktionierende und fundierte Wertegemeinschaft. Generationen vor uns haben viel in das Friedensprojekt investiert und Freiheit, Gleichheit und Solidarität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erkämpft. Die Grundidee Europas, eine offene und pluralistische Gemeinschaft über nationale, sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg zu bilden, wird von inneren und äußeren Einflüssen zunehmend gefährdet: Auf der einen Seite werden in manchen EU-Staaten unter dem Deckmantel nationaler Souveränität freie Gerichte unter Kuratel gestellt, die Pressefreiheit eingeschränkt und das Forum für demokratische Diskurse immer weiter beschnitten. Auf der anderen Seite wird dem europäischen Narrativ, dass man gemeinsam stärker ist, mit nationalistischer Abschottung und nostalgischen Großmacht-Allüren begegnet. Unsere Aufgabe ist es, dem Zerrbild einer egoistischen Ellbogengesellschaft die Vision einer gerechten europäischen Sozialgesellschaft gegenüberzustellen, die allen Bürgerinnen und Bürgern Chancen, Solidarität und Sicherheit bietet, die Menschen und nicht Märkte in den Mittelpunkt stellt.
Wirtschafts- und Währungsunion vollenden
Wir benötigen einen Plan für Europa, der den positiven wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Monate gerecht wird und den Aufschwung durch nachhaltige Investitionen und Innovationen zu jenen trägt, die Zuwächse am dringendsten brauchen. Dazu müssen wir die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden, um gemeinsame Regeln und Ziele für Beschäftigung und Wirtschaftswachstum zu definieren. Die Lohnentwicklung muss stärker nach oben gehen, die Arbeitslosigkeit muss weiter sinken und es müssen mehr gute Jobs entstehen, von denen die Menschen leben können. Es gilt, durch Wachstum und Fortschritt Wohlstand zu generieren, damit alle am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben können und soziale Gerechtigkeit wieder zum Leitmotiv der Zukunft wird. Wir müssen mit frischem Elan und neuen Ideen die großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit – Digitalisierung, Globalisierung und Klimawandel – angehen, die EU-Investitionspolitik in Richtung Zukunft lenken und uns auf Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Forschung und Infrastruktur fokussieren.
Starke soziale Säule für Freiheit und Fairness
Neben den vier Grundfreiheiten in der EU brauchen wir eine starke soziale Säule, die gute Arbeitsbedingungen und soziale Mindeststandards wieder in den Mittelpunkt rückt. Wir müssen Wohlstandsgefälle in Europa beseitigen, da die hohen Lohnunterschiede innerhalb der EU zu Ungleichheit und innereuropäischen Migrationsbewegungen führen. Außerdem müssen wir uns intensiv dem Thema Lohn- und Sozialdumping widmen, das nicht nur in Österreich und Deutschland Arbeitsplätze gefährdet, sondern auch Betriebe schädigt und Löhne und Sozialstandards unter Druck setzt. Um den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ zu verwirklichen, brauchen wir auf europäischer Ebene Gesetze zum Schutz unserer Beschäftigten und unserer Betriebe. Die Reform der Entsenderichtlinie mit strengen Auflagen für entsendende Firmen muss endlich umgesetzt werden. Und es muss sichergestellt werden, dass Handelsabkommen Sozial-, Umwelt-, und Konsumentenschutzstandards nicht unterwandern. Außerdem müssen wir Steuerbetrug und Steuerdumping den Kampf ansagen, damit die Zeiten, in denen der EU und ihren Mitgliedsstaaten durch Schlupflöcher und Steuervermeidungsmethoden Einnahmen von bis zu 1.000 Milliarden Euro pro Jahr entgehen, endlich der Vergangenheit angehören. Denn: Freiheit darf niemals Fairness ersetzen!
Veränderung mit Verantwortung
Die Grundwerte der EU sind nicht vom Himmel gefallen, ebensowenig sollen es die Sterne der Europaflagge tun. Dafür müssen wir populistische Agitation, Hetze und Spaltung unterbinden und sicherstellen, dass eine vernunftgeleitete, inklusive Politik im Zentrum unseres Handelns steht. Es gilt, sämtlichen Formen der „illiberalen Demokratie“ auch innerhalb unserer Wertegemeinschaft entschieden entgegenzutreten und dort konsequent Maßnahmen zu setzen, wo schwere Verletzungen der Wertebasis der EU vorliegen. Dieses gemeinsame Vorgehen muss auch zum Primat europäischer Politik bei aktuellen Herausforderungen wie Migration und Flucht werden. Wir müssen gemeinsam mit unseren internationalen Partnern die Fluchtursachen bekämpfen und die Hilfe vor Ort ausweiten wie zum Beispiel durch eine Art Marshall-Plan für Nordafrika. Dabei gilt es, illegale Wanderbewegungen und Schlepperei zu stoppen und die europäische Außengrenze effektiv zu schützen, um jenen helfen zu können, die vor Krieg und Terror aus ihrer Heimat flüchten und die Zuwanderung in einem integrierbaren Rahmen zu halten. Dazu benötigen wir ein kohärentes europäisches Vorgehen, ein einheitliches Asylsystem und eine Lastenverteilung mit standardisierten Leistungen. Wir müssen Verfahrenszentren außerhalb der EU errichten, wo Asylverfahren in Kooperation mit UNHCR im Einklang mit den Menschenrechten durchgeführt werden. Diejenigen, die nach rechtsstaatlichen Verfahren Asyl zugesprochen bekommen, sollen dann gerecht auf die Staaten der EU verteilt werden und die Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben erhalten.
Europa muss zusammenrücken, das Gemeinsame in den Vordergrund stellen und die Herausforderung der Zukunft wertebasiert und solidarisch meistern. Es ist entscheidend, dass die Europäische Union wieder ein Projekt der Hoffnung wird und wir das Versprechen Europas von Sicherheit und Wohlstand erneuern. Es geht um Veränderung mit Verantwortung. Eine starke Sozialdemokratie ist hierbei Garantin für ein starkes Europa.
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