Wenn der deutsch-ägyptische Publizist Hamed Abdel-Samad ein Buch veröffentlicht, sind ihm die Schlagzeilen in den Online-Zeitungen sicher. Erst letztes Jahr attestierte er den islamischen Glaubensgruppen im Nahen und Mittleren Osten faschistoide Züge. Sein Buch „Der Islamische Faschismus“ wurde daraufhin in den Medien und Talkshows kontrovers diskutiert. Jetzt ist Samad zurück mit seinem neusten Werk - eine persönliche Abrechnung mit Mohammed, dem Propheten und Glaubensbegründer des Islam. Die Kontroverse ist vorprogrammiert. Während die einen sich über Samads Tabubrüche empören, laben sich die anderen an seinen Zuspitzungen.
Samad provoziert
„Paranoid“, sei Mohammed laut Samad gewesen, ein Mann, dessen Komplexe sich in Sexismus und Menschenverachtung gegenüber seinem Volk äußerten. Die Online-Zeitungen zelebrieren diese Grenzüberschreitungen in ihren Schlagzeilen. Die Welt titelt: „Mohammed war ein Massenmörder und ein kranker Tyrann“. Selten liest man solche drastischen Zuspitzungen gegen den Islam und seinen Propheten. Die kritischen Reaktionen folgen auf dem Fuß. Der Publizist Daniel Bax wirft Samad vor, dass er in seiner Darstellung bewusst pauschalisiert und verkürzt. Seine Aussagen würden zudem vom rechten Rand aufgegriffen, um Stimmung gegen den Islam als Ganzes zu machen.Und Bax hat recht: Die Nähe zur Alternative für Deutschland (AfD) wirft wahrlich ein schlechtes Licht auf den umstrittenen Autor. Doch was die Öffentlichkeit viel eher beschäftigen sollte, ist die Reaktion von Teilen der strenggläubischen islamischen Gemeinschaft: Sie rufen zum Mord an Hamed Abdel-Samad auf.
Morddrohungen gegen Schriftsteller
Dafür brauchte es nicht mal die Abrechnung mit dem Propheten. Schon 2013 wurde in Ägypten im Rahmen einer Fatwa - einem islamischen Rechtsgutachten - zum Mord an Samad aufgerufen. Anlass waren seine Thesen über den islamischen Faschismus. Die Politik nimmt die Drohungen ernst. Samads Sicherheit ist seit mehreren Jahren Thema in den höchsten deutschen Regierungskreisen. Was eine Fatwa darüber hinaus für das Leben eines Menschen bedeuten kann, lässt sich am Beispiel von Salman Rushdie nachzeichnen. Im Jahre 1989 verhängte der damalige iranische Staatschef Ruholla Chomeini die Fatwa über den indisch-britischen Schriftsteller. Fast 20 Jahre musste Rushdie wegen seiner Darstellung des Propheten Mohammed in seinem Buch „Die Satanischen Verse“ von der Polizei geschützt werden und lebte an geheimgehaltenen Orten.
Die islamische Kränkung
Die Vorabdrucke von „Mohamed – Eine Abrechnung“ auf Zeit Online schließen mit der Forderung, dass sich die muslimische Welt von dem krankhaften Verhalten ihres Glaubensführers distanzieren müsste. Dazu zähle auch die Neigung zum Beleidigtsein. Ein Beleidigtsein, welches in der Vergangenheit in Teilen der islamischen Gemeinschaft oftmals zu Gewaltexzessen geführt hat. Die Randale zum Anlass der Mohammed-Karikaturen, die Anschläge auf Charlie Hebdo, die jüngsten Ausschreitungen in Flüchtlingsheimen aufgrund vorangegangener islamkritischer Provokation – diese Phänomene legen zumindest die Vermutung nah, dass die Analysen des umstrittenen Autors keineswegs völlig entrückt von der Realität sind. Die Fatwa ist somit doppelt zu verurteilen: Sie steht nicht nur in Widerspruch zu europäischen Grundwerten, sie bestärkt auch noch die Wahrnehmung des Islams als vermeintliche Gefahr für Europas Wertegemeinschaft.
Die Fatwa ist der eigentliche Skandal
Historiker und Islamwissenschaftler, Imame und Gläubige, sie können „Mohammed - Eine Abrechnung“ nach Herzenlust auseinander nehmen. Das sollen sie auch. Die Meinungsfreiheit in Europa muss für alle gelten. Sowohl für Samad als auch für seine Kritiker. Doch wenn es um Leben und Tod geht, muss sich Europa hinter Samad stellen wie es sich hinter die Redaktion von Charlie Hebdo gestellt hat. Eine Morddrohung aufgrund von Religionskritik darf nicht als Bagatelle hingenommen werden. Wenn die Frage also lautet: „Darf der das?“, so muss Europas Antwort laut und deutlich sein: Ja, er darf das!
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