Haushaltskürzungen des Europarates für Jugendliche sind eine Bedrohung für ein demokratischeres und friedlicheres Europa

, von  übersetzt von Paola Pedullà, Valentin Dupouey

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Haushaltskürzungen des Europarates für Jugendliche sind eine Bedrohung für ein demokratischeres und friedlicheres Europa

Der Europarat begeht 2019 sein 70-jähriges Jubiläum. Seit 70 Jahren fordert Europa Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Aufgrund der drastischen Haushaltskürzungen des Jugendsektors im Europarat schließen sich nicht alle der freudigen Party an.

Die internationale Organisation (nicht zu verwechseln mit dem Rat der Europäischen Union oder dem Europäischen Rat) ist für ihren europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bekannt. Weniger bekannt sind seine Aktivitäten zur Erreichung seiner Hauptziele durch eine starke Jugend-Zivilgesellschaft und die Förderung der Jugendrechte.

Seit 1972, dem Jahr der Gründung der Jugendabteilung des Europarates, ist die Organisation als Vorreiter im Bereich innovativer Jugendpolitiken, -instrumente und -beteiligungsmechanismen bekannt. Die geplanten Budgetkürzungen stellen ein Hindernis für Jugendorganisationen und junge Aktivist*innen europaweit wie auch für Frieden und Demokratie dar. Hoffentlich wird die Mobilisierung junger Menschen dieses Ergebnis verhindern.

Die Jugendarbeit des Europarates

In der dynamischen Blase der europäischen Jugendorganisationen sind Konzepte wie der „Advisory Council on Youth“ (AC) und die „European Youth Foundation“ (EYF) fester Bestandteil des täglichen Lebens. Erstere ist ein weltweit einzigartiger Entscheidungsmechanismus, der den zukunftsweisenden Charakter des Ansatzes des Europarates zur Jugendpartizipation seit seiner Gründung verkörpert: Über das AC wird die Gleichberechtigung junger Menschen gefordert indem sie mit Entscheidungsträger*innen aus den verschiedenen Mitgliedsstaaten in die Gestaltung und Umsetzung aller Aktivitäten des Jugendsektors einbezogen werden.

Diese vielfältige Versammlung besteht aus 30 jungen Menschen, wird alle zwei Jahre gewählt. [1] Sie tritt zweimal jährlich mit Vertreter*innen der 47 Mitgliedstaaten und drei weiteren Staaten zusammen, die das Europäische Kulturabkommen unterzeichnet haben, um gleichberechtigt und im Konsens über die Prioritäten, Programme und den Haushalt des Jugendsektors zu entscheiden. Dieser Prozess dient als Beispiel für eine demokratische und fortgestrittene Jugendbeteiligung auf politischer Ebene.

Insbesondere steuert das AC zusammen mit den Vertreter*innen der Mitgliedstaaten die Arbeit der Europäischen Jugendstiftung. Das EYF ist ein Instrument zur Finanzierung von Jugendorganisationen und Jugendprojekten in ganz Europa. Mit einem Jahresbudget von fast vier Millionen Euro können Jugendorganisationen internationale Jugendtreffen, Schulungen, Kampagnen und Seminare organisieren. Sie bietet sowohl Betriebskostenzuschüsse, die es Jugendorganisationen ermöglichen zu funktionieren, als auch Projektkostenzuschüsse, die äußerst wichtig sind, um Projekte kurzfristig zu organisieren.

Die vom EYF unterstützten Projekte üben nicht nur auf die Jugendlichen einen positiven Einfluss aus, indem sie ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Kompetenzen im Bereich der demokratischen Partizipation und dem interkulturellen Verständnis durch nicht-formale Bildung zu entwickeln, sondern fordern sie auch direkt die primären Ziele des Europarates, indem sie eine unabhängige und gut funktionierende Jugend-Zivilgesellschaft stärken. [2]

Dies sind die zwei bekanntesten Bestandteile des Jugendbereichs des Europarates, aber nicht die einzigen. Der Europarat bietet tatsächlich spannende Aktivitäten. Dazu zählen die europäischen Jugendzentren in Straßburg und Budapest, die europäisch-arabische Jugendkooperation, die „No Hate Speech Campaign“, eine Vielzahl von unverbindlichen Entschließungen und Empfehlungen zur Förderung der Jugendrechte und der Jugendarbeit, eine einzigartige Kooperationsplattform mit der Europäischen Kommission im Jugendbereich, eine Plattform für die Zusammenarbeit zwischen Forscher*innenn, Entscheidungsträger*innenn und Praktizierende im Jugendbereich, MOOCs [3], Anleitung und Handbücher für Praktizierende im Jugendbereich, große Konferenzen, ein Online-Magazin,Unterstützung der nationalen Jugendpolitik, Forschungsarbeit, etc.. Die Liste der bisherigen Erfolge und aktuellen Aktivitäten des Jugendsektors des Europarates ist nahezu endlos.

Aber das alles könnte bald der Vergangenheit angehören.

Die Haushaltsschwierigkeiten des Europarates

Das Budget großer Institutionen und Organisationen ist ziemlich komplex . Versuchen wir, es einfach zu halten. Diejenigen, die mit den Feinheiten der Funktionsweise des Europarates vertraut sind, sind sich der Haushaltspolitik des „nominellen Nullwachstum“ bewusst, die von den Mitgliedstaaten 2014 eingeführt wurde. Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass der Haushalt nicht Jahr für Jahr wächst.

Aufgrund strategischer Entscheidungen hat die Türkei 2018 beschlossen, auf den Status eines wichtigen Beitragszahlers zum Haushalt zu verzichten. Aus diesem Grund ist eine Lücke von 20 Millionen Euro entstanden. Um die Situation noch entsetzlicher zu machen, hat Russland seit 2017 seinen Beitrag zum Europarat eingefroren. Russland hat diese Entscheidung getroffen, nachdem es aufgrund des Konflikts in der Ukraine ihr Stimmrecht in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates verloren hatte. Dieses Vorgehen hat eine noch größere Haushaltslücke von über 22 Millionen Euro verursacht. Alles in allem bedeutet dies, dass der Europarat rund 14% seines Jahresbudgets einsparen muss.

Der Generalsekretär des Europarates hat kürzlich einen Notfallplan zur Bewältigung dieser Haushaltskrise ausgearbeitet. Der Plan sieht Kürzungen von 6-30% in allen Sektoren des Europarates vor. Abgesehen vom Jugendsektor. Der Plan sieht vor, „die Finanzierung der Aktivitäten des Jugendsektors der Organisation aus dem ordentlichen Haushalt zum 1. Januar 2021 einzustellen und eine neue erweiterte Teilvereinbarung über die Jugend zu schließen“.

Teilvereinbarungen sind freiwillige Vereinigungen durch finanzielle Beiträge der Staaten für eine bestimmte Reihe von Aktivitäten. Jeder Mitgliedstaat des Europarates wird dann beschließen, ob er sich dem Teilabkommen über die Jugend anschließen möchte oder nicht. Dadurch wird er entscheiden ob er somit einen finanziellen oder nicht finanziellen Beitrag leisten wird. Angesichts der allgemeinen Großzügigkeit der Mitgliedstaaten bei der Finanzierung von Jugendaktivitäten ergeben sich daraus düstere Aussichten für die Zukunft des Jugendsektors des Europarates.

Aufgrund der Besonderheiten der Finanzen des Europarates ist der Haushalt der European Youth Foundation derzeit nicht direkt gefährdet. Die Entflechtung der Governance-Strukturen ist jedoch ebenso gefährlich.

Sicherung des Jugendbudgets

Von seiner ganz eigenen Funktionsweise bis hin zu den Auswirkungen der von ihm finanzierten Projekte an der Basis hat der Jugendsektor des Europarates ständig bewiesen, dass er die größeren Ziele des Europarates vorantreibt.

In einer Zeit, in der die Demokratie in Europa unter Druck steht, in der junge Menschen den traditionellen Formen der politischen Beteiligung den Rücken kehren, in der der Nationalpopulismus die Kernwerte eines Europas des Friedens, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit bedroht, ist es undenkbar, jungen Menschen weniger Aufmerksamkeit zu schenken.

Mehr denn je brauchen wir das, was der Europarat jungen Menschen bieten konnte: Möglichkeiten, jungen Menschen Fähigkeiten für demokratische Beteiligung, für Frieden und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln. Mehr denn je brauchen wir das, was der Europarat den Mitgliedstaaten angeboten hat: eine führende Stimme zum Thema Jugendpolitik, die sich an Jugendrechten, Jugendarbeit, Jugendbeteiligung und Jugendautonomie orientiert.

Was kann man nun tun? Bisher wurden noch keine Entscheidungen getroffen, da der Notfallplan ein Entwurf bleibt. Umso mehr sollten sich Jugendliche und Jugendorganisationen in der nächsten Zeit mit ihren Vertretungen beim Europarat, ihren Jugend- und Bildungsministerien und ihren Außenministerien in Verbindung setzen, da sie das letzte Wort in dieser Angelegenheit haben. Die Jugend sollte die Institutionen daran erinnern, dass sie und die Zivilgesellschaft mehr als je zuvor für den Schutz und die Entwicklung starker Demokratien in einem friedlichen Europa von Bedeutung sind.

Die Zivilgesellschaft der Jugend hat die Online-Mobilisierung eingeleitet. Die Botschaft ist klar und wird oft auf humorvolle Weise vermittelt. Der Europarat kann nicht mit der Kürzung der Jugendfinanzierung einen dermaßen großen Schritt zurücktreten!

JEF-Europe wird seit 2014 jedes Jahr von der Europäischen Jugendstiftung des Europarates finanziert. Mit dieser Finanzierung konnten unter anderem 20 Seminare für 650 junge Aktivisten organisiert werden, an denen indirekt 3.000 junge Menschen teilnahmen. An jedem dieser Seminare nahmen junge Menschen mit 15 bis 20 Nationalitäten teil.

Schlagwörter
Anmerkungen

[120 Mitglieder werden von der Generalversammlung des Europäischen Jugendforums gewählt und 10 Mitglieder werden vom Generalsekretär des Europarates nominiert.

[2JEF-Europe ist ein regelmäßiger Begünstigter der Finanzierung der Europäischen Jugendstiftung durch Betriebskostenzuschüsse und Projektfinanzierungen. Insbesondere hat diese Finanzierung es JEF-Europe ermöglicht, seinen Zyklus von Seminaren und Kampagnen mehrere Jahre lang zu organisieren.

[3Massive Open Online Course

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