Ich war noch niemals in der Schweiz

, von  Eva Olschewski

Ich war noch niemals in der Schweiz
Die Kolumne „Wir in Europa“ erscheint jeden Sonntag auf treffpunkteuropa.de. Autoren berichten im Wechsel über ihre persönlichen Erlebnisse mit der EU, was es bedeutet, Europäer zu sein und welche Ängste und Hoffnungen sie mit der Gemeinschaft verbinden. Foto: © European Commission / 2004

Eva hat European Studies studiert – was für Änderungen der Vertrag von Lissabon mit sich bringt und wann Irland der EU beitrat weiß sie jetzt, doch lernt man durch das Auswendiglernen von Gesetzen und Regeln die EU und Europa richtig kennen? Was kann man danach über seine Nachbarländer sagen und wie nah kommt man ihnen?

Rätselnd stehe ich vor dem Schwarzen Brett. Freie Plätze gibt es noch für die Niederlande, Dänemark und Schweden. Ich spreche weder Holländisch, noch Dänisch oder Schwedisch – die Beherrschung der Landessprache scheidet schon mal als Entscheidungskriterium aus. Assoziationen steigen mir in den Kopf: leckeres holländisches Vlan (diesen Vanille-Schoko- Pudding aus der Milchtüte), echtes Lakritz. Wie oft war ich wohl schon in den letzten Jahren in den Niederlanden – immerhin ist die „Grenze“ nur eine Stunde Autofahrt von uns entfernt. Wenn ich an Schweden denke, sehe ich sofort stereotypische Elche vor mir, das Ikea-Logo und natürlich Köttbullar. Zu Dänemark fällt mir außer dem Königshaus fast nichts ein, ich trage meinen Name in die Liste für den Schüleraustausch ein: Eine Woche in der dänischen Pampa. Wenn ich mein damaliges 15-jähriges Ich mit meinem 10 Jahre reiferen vergleiche, frage ich mich: Weiß ich jetzt mehr über meine europäischen Nachbarn?

Das Menschliche kommt im Europastudium zu kurz

Während des Schüleraustauschs habe ich mitbekommen, dass die Dänen viel trinken, Alkohol dort allerdings sehr teuer ist. Über die dortigen Bräuche konnte ich nach einer Woche im Land jedoch nicht viel sagen. Im Bachelor habe ich das gesamte EU-Recht bis zum Umfallen gepaukt und einzelne Politikbereiche kennengelernt: Die Kopenhagener Kriterien, die europäische Länder für einen EU-Beitritt qualifizieren, kann ich im Schlaf aufsagen. Aber was ist mit den Menschen und Kulturen in Europa?

Ein Seminar ist mir noch in Erinnerung geblieben: Interkulturalität. Auch wenn ich mich früher gefragt habe, was der Sinn dieses wöchentlichen Kaffeeklatsches war, weiß ich ein paar Jahre später: Richtig ausgetauscht über das eigene Land und mehr erfahren über die Schwierigkeiten zugezogener Europäer mit der deutschen Bürokratie habe ich nur in diesem Unikurs.

Ebenso hat mich mein Tschechisch-Unterricht in dieser Hinsicht weitergebracht. Gerade in Sprachkursen wird sich intensiv mit dem jeweiligen Land beschäftigt und durch Tandems entsteht ein Gefühl für den alltäglichen Gebrauch der Sprache und ein Bezug zu den Einheimischen. Schön wäre es doch, wenn wir uns an sämtlichen Bildungseinrichtungen nicht immer nur auf Englisch und Französisch, manchmal auch Italienisch und Spanisch, beschränken würden, sondern auch andere europäische Sprachen anbieten würden. Nichts gegen Latein, das gerade für das Erlernen romanischer Sprachen eine gute Grundlage ist, aber Holländisch, Dänisch oder Schwedisch hätte ich in der Schulzeit als dritte Fremdsprache bevorzugt.

Europa über Landesgrenzen hinweg

Anfangen könnten wir doch wirklich mit den Sprachen, die uns geografisch am nächsten sind. In einem Gespräch mit Freunden fällt mir auf, wie unser Verständnis über unsere Nachbarländer auch durch unsere Herkunft innerhalb Deutschlands geprägt sein kann. Meine Freundin, die in München aufgewachsen ist, erstaunt mich: „Ich war noch nie in Holland“, sagt sie doch tatsächlich. Für mich unvorstellbar! Dann wird mir klar, dass ich noch nie in der Schweiz war. Viele meiner Berliner Freunde kennen Polen sehr gut – vor dem Zeitalter der Billigflüge war es mir aus Nordrhein-Westfalen zu weit weg.

Mittlerweile wohne ich nur noch eine sechsstündige Autofahrt entfernt von Venedig, mit dem Zug bin ich in fünf Stunden in Prag. Italien und Tschechien sind mir nicht nur geografisch ein Stück näher gerückt. Die Nähe zu anderen EU-Mitgliedsstaaten nutzen deutsche Schulen, beispielsweise in Sachsen und Bayern, bereits für sich, indem sie zusätzlich zum regulären Sprach-Curriculum Tschechisch anbieten. Warum nutzen wir die Nähe unserer Bundesländer zu anderen europäischen Regionen nicht über diese hinaus, um interkulturellen Austausch zu fördern und das angrenzende Land besser kennen zu lernen? Der zweite Schritt ist dann, die Billigflüge zu nutzen und auch den Rest Europas zu erkunden.

Ihr Kommentar
  • Am 20. Februar 2014 um 21:01, von  Vera Als Antwort Ich war noch niemals in der Schweiz

    Tolle Idee, auch mal andere Sprachen als Französisch und Englisch anzubieten. Nutzen wir unsere europäische (Sprachen-)vielfalt! Allerdings finde ich die Aufforderung der Nutzung von Billigfliegern eher fraglich - damit wir Europa auch ein bisschen verpesten? Wie wäre es damit, die teils hervorragenden Zugverbindungen zu nutzen oder sich dafür einzusetzen, dass diese Verbindungen noch weiter ausgebaut werden?

  • Am 23. Februar 2014 um 12:50, von  Eva Olschewski Als Antwort Ich war noch niemals in der Schweiz

    Im Prinzip wollte ich damit nur sagen, dass wir uns erst stärker mit unseren nächstliegenden Nachbarländern sprachlich und kulturell vernetzten sollten und dann im zweiten Schritt den Rest Europas erkunden können. Es sollte kein Aufruf sein, Billigflieger zu nutzen, sondern Europa zu erkunden - daher stimme ich dir vollkommen zu, Vera: Nutzt die Zugverbindungen :)! Danke fürs Aufmerksammachen.

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