Jetzt weht es schon wieder blau daher

, von  Felix Meyer

Jetzt weht es schon wieder blau daher
© Andrä Rupprechter / flickr/ (CC BY 2.0) Wahlkampfauftakt des Favoriten Sebastian Kurz von der liberalkonservativen ÖVP (EPP).

Nach Jahren der Großen Koalitionen steht Österreich vor einer richtungsweisenden Wahl.

Am 4. Dezember 2016 richteten sich viele Blicke nach Österreich. Es standen Präsidentenwahlen an. Im dritten Anlauf sollte es doch hoffentlich endlich klappen in einem westlichen europäischen Land gültige Wahlen zu veranstalten. Aber es ging auch um mehr als nur das österreichische Präsidentenamt. Nach Brexit und Trump ging es auch darum den Siegeszug der Populisten zu stoppen. Herauf stilisiert als Kampf zwischen Ein-Mann-Demokratie-Bollwerk Van der Bellen gegen Rechtspopulist-mit-nettem-Lächeln Hofer. Ein bisschen Hochgegriffen könnte man meinen. Aber tatsächlich brachte Van der Bellens Sieg die Wende für die Rechtspopulisten in Europa. Weder Geert Wilders noch Marine Le Pen konnten ihre Wahlen in den Niederlanden und Frankreich gewinnen. Einige Monate später bleibt von diesem optimistisch stimmenden Ergebnis freilich wenig übrig. Gerade schaffte es die AfD mit rund 13% in den Deutschen Bundestag einzuziehen. Ein Ergebnis, dass die dortige Parteienlandschaft und Parlamentskultur wohl verändern wird. Und in Österreich? Am 15. Oktober stehen Nationalratswahlen an. Diese vorgezogene Neuwahlen wurden nach dem Rücktritt Mitterlehners im Mai 2017 als ÖVP-Obmann und Vizekanzler notwendig. Und ein bisschen auch deswegen weil der neue ÖVP-Obmann Sebastian Kurz vermutlich nicht (nur) den Vizekanzler machen wollte. Und Sebastian Kurz, der als Außenminister schon fast im Alleingang die Balkanroute schloss, den Flüchtlingsstrom beendete und damit vermutlich die gesamte abendländische Kultur gerettet hat, machte sich so gleich auf seine Partei zu retten. Er vereinigte mehr Macht im Amt des Obmanns und gewann so für den Wahlkampf mehr Handlungsfreiheit. Er richtete nicht nur die Partei, sondern auch den Wahlkampf mehr und mehr auf seine Person aus. Alles sollte jetzt eine „Bewegung“ sein, wie bei Macron in Frankreich. So fand der Wahlkampfauftakt natürlich auch in der Wiener Stadthalle statt. Der größte Wahlkampfauftakt den Österreich je gesehen hat. Ein Schelm der dabei an „biggest crowd ever“ denkt... Im Prinzip kann man am Namen der Wahlliste, „Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei (ÖVP)“, ablesen was Sache ist: Sebastian Kurz steht prominent ganz vorne, aber ÖVP bleibt ÖVP. Aber Kurz zieht beim Wahlvolk, er hat die ÖVP wieder auf neue Umfrage-Hochs gebracht und wird aller Voraussicht nach die Wahl am 15. Oktober gewinnen. Nur alleine regieren wird auch er nicht können. Doch wie soll man alles neu machen und dann doch mit dem alten Koalitionspartner weiterregieren können?

Kanzler Kern tritt mit seiner SPÖ hingegen auf der Stelle. Je nach Umfrage knapp vor oder knapp hinter der FPÖ. Er verfängt nicht richtig mit seinen Themen und nach gerade mal einem Jahr Amtszeit hat er auch noch nicht so wirklich einen Kanzlerbonus. (Erinnerung: Faymann trat auf Grund des schlechten Wahlergebnisses des SPÖ Kandidaten in der oben genannten Bundespräsidentenwahl als Kanzler erst im Mai 2016 zurück.)Das einzig wirklich interessante und hängenbleibende: Mit dem Beschluss zum „Wertekompass“ wird wohl eine mögliche Tür zu einer rot-blauen Koalition geöffnet – die eh bereits im Burgenland besteht. Und: Wenn man sich nicht zum Juniorpartner der neuen ÖVP degradieren lassen möchte, ist das die einzige Möglichkeit weiterhin den Kanzler zu stellen.

Wenn man lernen möchte wie man seine eigene Partei in nur einem Wahlkampf selbst zerlegen kann, der muss jetzt nur mal auf die österreichischen Grünen schauen. Die Grüne Jugend ist quasi zur KPÖ abgehauen. Und weil der böse Parteitag Pilz nicht mehr aufstellen wollte, wollte der auch nicht mehr bei den Grünen mitspielen und tritt jetzt als Liste Pilz selbst an. Beide Listen könnten es vielleicht in den Nationalrat schaffen, vielleicht auch nur eine der beiden, vielleicht auch beide nicht. Die letzten Umfragen deuten daraufhin, dass dieses Fiasko zumindest abgewendet werden kann, aber dann wäre zumindest die parteieigene Zerlegung komplett und man könnte zum Beispiel für die deutschen Grünen Kurse anbieten wie „How to escalate „parteiinterne Flügelkämpfe“ in ten easy steps“. Sicherlich auch dort eine gefragte Fortbildungsmaßnahme, gerade weil die Jamaika-Koalitionsverhandlungen anstehen und Flügelgerangel vorprogrammiert scheint. Auch die NEOS schaffen, diesmal auf Listen Platz zwei mit Irmgard Griss (auch Kandidatin bei der oben gennanten Bundespräsidentenwahl), wohl den Wiedereinzug in den Nationalrat. „Fortschritt statt Filz“ wollen sie dann weiter voranbringen. Als kleine Oppositionspartei, denn ernsthafte Koalitionsmöglichkeiten bestehen nicht. Aus europäischer Sicht muss man aber ganz klar sagen, dass die NEOS wirklich viele postive Ideen haben. Von der Öffnung des Wahlrechts in Österreich für alle EU-Bürger bis hin zu einer gemeinsamen europäischen Freiwilligenarmee – was für das neutrale, nicht-NATO Land Österreich durchaus Brisanz hat.

Die FPÖ, die Blauen, mit Spitzenkandidat Strache sind zwar in den Umfragen von ihren Top-Werten von vor gut einem Jahr, auf der Welle der Bundespräsidentenwahl quasi reitend, wieder ein Stück entfernt und auch nicht mehr die führende Partei. Aber könnten es eben doch schaffen an der SPÖ vorbei zu ziehen und zweitstärkste Kraft im österreichischen Nationalrat zu werden. Und: Wenn SPÖ und vor allem ÖVP wirklich mit einer „großen Koalition“ Schluss machen wollen, stehen sie eigentlich als Regierungspartei schon fest. Die FPÖ tritt unter anderem damit an, die Österreischische Identiät in Europa wahren zu wollen. Sie möchte aus dem „ESM-ESFS-Haftungswahnsinn“ aussteigen. Ebenso möchte die FPÖ die österreichische Neutralität in der Landesverteidigung beibehalten. Kurzum: „Mehr Europa“ ist mit der FPÖ wohl kaum zu machen. Außer vielleicht beim gemeinsamen Grenzschutz. Ansonsten lesen sich die europapolitischen Position der FPÖ als genauer Gegenentwurf zu Macrons zukunftsweisenden Reformvorschlägen für die EU und Euro-Gruppe.

Jetzt im Wahlkampf schenken sich die Blauen und die Schwarzen zwar noch nichts. Aber Kurz könnte einige Gründe haben schwarz-blau, schwarz-rot vorzuziehen. Persönliche Verstimmungen mit SPÖ Personal, die FPÖ aus der Oppositionsrolle zu holen, Strache direkt zu bändigen etc. nur würde es das Österreichs Europareformwillen auf null setzen. Und das wird es noch schwieriger machen die EU und die Euro-Gruppe für die Zukunft zu reformieren. Alle schauen auf Frau Merkel, und ob die neue Bundesregierung in Deutschland Macrons Reformen mitgehen möchte. Aber am 15. Oktober sollte Europa seinen Blick auch wieder nach Österreich schauen. Je höher der blaue Balken klettert, desto schwerer wird es für ÖVP und SPÖ die FPÖ bei Koalitionsmöglichkeiten außen vor zu lassen und umso schwerer wird es daher Österreich auf Europa-Kurs zu halten. Vorausgesetzt diesmal kleben die Briefwahlumschläge gleich beim ersten Mal und man nicht noch mal wählen muss.

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