Ich glaube fest an den Wert von ehrenamtlicher Arbeit, die von jungen Menschen geleistet wird. Zum einen finde ich es wichtig, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben – und zwar nicht nur weil sie uns in unserer Kindheit und Jugend viel gegeben hat, sondern schon allein weil wir alle lernen sollten, dass es sich gut anfühlt, etwas zurückgeben zu können.
Wir leben in einer kurzatmigen und ständig wechselnden Welt, sodass ehrenamtliche Arbeit, besonders mit sozialem Schwerpunkt, uns nicht nur einen Raum geben kann, um tief durchzuatmen und zum Beispiel bei der Arbeit mit älteren Menschen alles etwas langsamer angehen zu lassen, sondern uns auch dabei helfen kann, das, was wir als selbstverständlich betrachten, wertzuschätzen. Außerdem bietet sie jungen Menschen die Möglichkeit, Arbeitserfahrungen zu sammeln, die ihnen sonst zum Beispiel erst nach dem Studium ermöglicht werden würden.
Und ich glaube fest an den Wert des europäischen Jugendaustauschs. Wir leben in einer so wunderschön vielfältigen Union, das es sich lohnt, sie mit ihren unterschiedlichen Kulturen und Sprachen zu erkunden. Gerade wenn man den Blick auf rechtspopulistische Parteien richtet, die sich in vielen europäischen Ländern auftun und auch viele junge Menschen anziehen, finde ich es enorm wichtig, allen jungen Menschen eine solche Chance zu geben, ihren Horizont zu erweitern.
An diese Argumente musste ich denken, als Juncker ein sogenanntes Europäisches Solidaritätskorps vorschlug. In den nächsten Jahren sollen im Rahmen dessen 100 000 Plätze für junge Europäer geschaffen werden. Als mögliche Einsatzgebiete nannte der Kommissionspräsident neben der Erdbebenregion in Italien auch die Brennpunkte der Flüchtlingskrise.
Ganz neu ist die Idee nicht: In diesem Jahr feiert der Europäische Freiwilligendienst bereits seinen 20. Geburtstag. Er ermöglicht jungen Europäern zwischen 17 und 30 Jahren einen maximal 12-monatigen Freiwilligendienst im größtenteils europäischen Ausland. Wer Freiwillige aufnehmen möchte, muss sich zuerst einmal als Aufnahmeorganisation akkreditieren lassen. Danach muss er Jahr für Jahr das jeweilige Projekt der jeweiligen Nationalagentur vorstellen, sodass generell nichts dagegen spricht, für ein Jahr, in dem Naturkatastrophen, Flüchtlingskrise oder andere Ereignisse es notwendig machen, besonders viele Plätze für Freiwillige zu beantragen.
Beim Europäischen Freiwilligendienst haben Interessierte jedoch die Möglichkeit, sich speziell für eine bestimmte Einsatzstelle zu bewerben, während das Konzept des Solidaritätskorps noch offen lässt, ob ebenso spezielle Bewerbungen oder ganz allgemeine Bewerbungen gefordert sein werden.
Dies sind jedoch nicht die einzigen Fragen, die das Konzept bis jetzt offen lässt und die damit auch gleich zu Kritik anregen: Sollen junge Menschen erst diesem Korps beitragen, wenn sie an einem konkreten Ort gebraucht werden, oder soll es Gruppen geben, die ständig abrufbar und einsatzbereit sind? Ersteres könnte ein sehr kurzfristige und oft spontane Organisation fordern, zweiteres würde bedeuten, dass gegebenenfalls einzelne Gruppen gar nicht zum Einsatz kommen.
Ist es außerdem richtig, die Lösung komplexer Probleme oder zumindest die Mithilfe daran an so junge Europäer weiterzugeben? Das Programm Erasmus+ baut darauf, dass jeder unabhängig von seinem Bildungsabschluss teilnehmen kann. Die Mithilfe in zum Beispiel Flüchtlingslagern kann nicht nur psychisch extrem belastend sein, es ist auch fraglich, ob junge Menschen, von denen einige gerade erst die Schule verlassen haben, in der Lage sind zu helfen oder ob sie viel mehr Anleitung brauchen als machbar.
Auch stellt sich die Frage, ob die Europäische Union damit tatsächlich wie behauptet gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern vorgeht oder ob sie nur eine weitere Option schafft, die arbeitssuchende, junge Menschen zum Beispel neben unbezahlten Praktika machen können, bevor sie einen Beruf finden. Natürlich kann ihnen ein Freiwilligendienst wertvolle Erfahrungen und Kontakte ermöglichen. Vergessen dürfen wir jedoch nicht, dass Teilnehmer vielleicht ihre Aussichten auf eine Anstellung verbessern, aber während ihrer Teilnahme noch in der Ausbildung und noch nicht arbeitend sind.
Noch ist somit nicht viel über die Idee, die Juncker äußerte, bekannt. Fakt ist, dass es ähnliche Programme schon gibt, von denen viele junge Europäer sehr profitieren, es aber auch Kritikpunkte gibt, an denen es noch zu arbeiten gilt. Fakt ist auch, dass beispielsweise das Programm Erasmus+, zu dem auch der Europäische Freiwilligendienst zählt, immer für einen bestimmten Zeitraum von einigen Jahren seine Gelder bekommt und danach neu strukturiert wird. Vielleicht wird es damit schon bald auch ein Europäisches Solidaritätskorps beinhalten.
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