Die Europäische Union betreibt schon seit dem Jahr 2000 eine gemeinsame Klimapolitik, das Thema Energie wird bereits seit 1996 zusammen mit den Mitgliedsstaaten verhandelt. Doch schon mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1951 wurden Einigungen in diesem Bereich erreicht.
Die EU-Richtlinien zur Klima- und Energiepolitik sind ins britische Recht umgesetzt worden, daher werden auch nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU keine großen Gesetzesänderungen notwendig. Die ehemalige Ministerin für Energie und Klimawandel Amber Rudd übernimmt das Innenministerium im Kabinett unter Theresa May. Aber auch unter ihrem Nachfolger Greg Clark werden die vielen Klimawandel-Skeptiker unter den Brexit-Befürwortern kaum eine grundlegene Wende an den Dekarbonisierungszielen Großbritanniens (80% CO2-Reduktion bis 2050) herbeiführen können.
Atomkraftwerke profitieren vom Brexit
Anders wird es beim zukünftigen Energiemix auf der Insel aussehen. Hier sah bereits die ehemalige Energie-Staatssekretärin Andrea Leadsom die erneuerbaren Energien an ihre Grenze angekommen. Die Erneuerbaren-Industrie sei "ein Opfer ihres eigenen Erfolgs" geworden. Um höhere Verbraucherpreise zu verhindern, wird die neue Regierung ihre ehrgeizigen Ziele in der Atomkraft umsetzen. Bis zu sechs neue AKWs könnten so in den nächsten Jahren entstehen.
Außerdem wird Großbritannien vermehrt auf Erdgasimporte setzen müssen, um den volatilen erneuerbaren Energien ein größeres Backup zur Verfügung stellen. Dies wird jedoch eine engere Zusammenarbeit mit EU-Staaten voraussetzen. Bereits jetzt kommen 51% der Gasimporte über die Pipelines aus den Niederlanden, Belgien und Norwegen sowie ein Großteil der Eigenprodukton über das Frigg UK System aus Schottland, welches sich von England abspalten und der EU beitreten könnte.
Gleiches Schicksal wie Norwegen und die Schweiz
Dies wird zur Folge haben, dass sich Großbritannien, ähnlich wie Norwegen, an die EU-Normen und Richtlinien halten muss, wenn es weiterhin am europäischen Gasmarkt angeschlossen sein will. Nur wird es dann selbst keinen Einfluss mehr darauf haben, wie der Gasmarkt gestaltet wird.
Dies gilt natürlich für alle weiteren Regelungen, die die EU im Bereich der Klima- und Energiepolitik treffen wird und die das UK direkt oder indirekt betreffen, insbesondere beim Strommarkt. Seit einiger Zeit treibt die EU den Europäischen Energiebinnenmarkt voran, um Überproduktionen und Nachfragehochs in ganz Europa ausgleichen zu können. Von diesem Großprojekt erhofft man sich einen stärkeren Wettbewerb und somit sinkende Verbraucherpreise sowie eine bessere Integration erneuerbarer Energien.
Auch von diesem Binnenmarkt wäre Großbritannien erst einmal ausgeschlossen. Das britische Umwelt-Thinktank E3G fordert, recht zügig ein verbindliches Abkommen zwischen der EU und UK zu schließen, das Großbritannien den Zugang zur Energieunion zusichern soll. Wie schwer die Umsetzung solch eines Abkommens wird, zeigt sich bereits am Beispiel der Schweiz. Hier weigert sich die EU, die Schweiz in den Energiebinnenmarkt aufzunehmen, bis nicht alle weiteren Beziehungen zwischen ihnen geregelt sind. Ähnliches könnte sich auch für Großbritannien entwickeln.
Von der schwachen Investitionssicherheit profitieren nur Großkonzerne
Am schwersten wird das Fehlen von Investitionssicherheit für die Klima- und Energiepolitik Großbritanniens wiegen. Schon jetzt sind die Märkte nervös geworden. Es werden noch Jahre vergehen, bis das Verhältnis zwischen der EU und UK abschließend geregelt sein wird. Dies wird auch Auswirkungen auf Investitionen in die Versorgungsinfrastruktur haben.
Zwar haben Großkonzerne angekündigt, ihre geplanten Projekte umzusetzen. So wird EDF Energy neue Atomkraftwerke errichten. Auch E.ON und RWE äußerten sich gelassen. Doch gerade kleinere, innovativere Unternehmen, Startups und Energiegenossenschaften werden es schwerer haben, ihre Projekte zu finanzieren und die politische Unterstützung für ihre Projekte zu finden.
Auch die geplanten Gas- und Stromleitungen zum europäischen Festland stehen in Frage, da sie - ähnlich wie viele Forschungsprojekte - mit EU-Fördergeldern finanziert werden. Die Erdgasimporte könnten sich allgemein aufgrund des schwachen Pfunds verteuern.
Auswirkungen auf die Europäische Klima- und Energiepolitik
Auch auf die Klima- und Energiepolitik der EU wird sich der Austritt Großbritanniens auswirken. Die EU wird mit dem UK einen marktliberalen Vertreter verlieren, der vehement auf die Öffnung des gesamten europäischen Energiemarktes hindrängte. Ebenso war Großbritannien ein Fürsprecher für einen ambitionierten Klimaschutz.
Dies könnte bedeuten, dass weniger ehrgeizige Ziele aus Mitgliedsstaaten Mittel- und Osteuropas an Bedeutung gewinnen könnten. Insbesondere Polens Rolle wird gewichtiger in der EU, also auch die derzeitige kohlefreundliche Politik.
Andererseits war Großbritannien Gegner eines Monitorings bei der Erreichung der Klima- und Energieziele und für ein flexibles System beim Energiemix und der Energieeffizienz, was es mit Polen und anderen mittel- und osteuropäischen Staaten gemein hatte. Hier werden sich eher die Positionen hin zu strengeren Kontrollmechanismen durchsetzen.
Sollte Großbritannien auch aus dem EU-Emmissionshandelssystem aussteigen, würden britische Unternehmen versuchen ihre Emmissionsrechte schnell zu verkaufen. Die Preise würden ebenso wie die Anreize für klimaschonende Investitionen sinken. Das System, das bereits vor der Bedeutungslosigkeit steht, würde vollends in sich zusammenfallen.
Bis zum endgültigen Brexit werden noch mindestens zwei Jahre vergehen. Kurzfristige Änderungen bleiben erst einmal die Ausnahme. Doch bis dahin sollte sich Großbritannien gut aufstellen, um nicht im Bereich Klima und Energie von der EU abgehängt und isoliert zu werden. Auch die EU sollte sich auf die Herausforderungen einstellen und entscheiden, ob auch Nicht-Mitgliedsstaaten Teil der Energieunion werden können.
Kommentare verfolgen: |