Kostenloser ÖPNV: Was Deutschland vom „kleinen Nachbarn“ Luxemburg lernen kann

, von  Alexandre Kintzinger

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Kostenloser ÖPNV: Was Deutschland vom „kleinen Nachbarn“ Luxemburg lernen kann
ÖPNV in Luxemburg - ein Beispiel für Deutschland? Foto: Thomas Reincke / Flickr / CC BY-SA 2.0 - Lizenz

Der Vorschlag der Bundesregierung zum kostenlosen Öffentlichem Personennahverkehr scheint nun vom Tisch zu sein, nachdem sich die Bürgermeister der Versuchs-Kommunen hauptsächlich aufgrund finanzieller Gründe da gegen ausgesprochen hatten. Angesichts der Entscheidung des Bundesfassungsgerichts in Karlsruhe über mögliche Dieselfahrverbote ist der Vorschlag jedoch noch nicht ganz reif für die Schublade. Vielmehr muss jetzt die Diskussion darüber weiter am Laufen gehalten werden und dies unabhängig von der Umweltdebatte, um über Teillösungen und alternative Konzepte nachzudenken.

Zum Ende der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD überraschte die Bundesregierung vor ungefähr zwei Wochen mit einem Vorschlag zum kostenlosen öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV). Ein entsprechender Versuchstest in fünf westdeutschen Städten sollte noch dieses Jahr starten. Nach einem Arbeitstreffen der Bürgermeister der jeweiligen Modellkommunen im Bundesumweltministerium in Bonn steht der Vorschlag vorerst nicht mehr zur Diskussion. Die Skepsis der Kommunen und der lokalen ÖPNV-Unternehmen wog stärker als das Lob seitens der Umweltverbände. Die Zweifel lagen einerseits in der Finanzierbarkeit des Projektes und zweitens in der Frage, ob ein kostenloser ÖPNV wirklich eine drastische Reduzierung der Stickoxide zu Folge gehabt hätte.

Auch wenn die Senkung der Stickoxid-Belastung der Ansporn für den Vorschlag gewesen war, heißt dies jedoch nicht, dass die Idee nicht als sozialpolitisch fortschrittliche Maßnahme verstanden werden kann – zumal sie in einigen EU-Länder schon längst Realität ist.

Das „Luxemburger Modell“ wäre ein erster Anfang

Das Luxemburger Konzept des öffentlichen Transports könnte auch für Deutschland ein erster Ansatz sein. Das Land mit seinen 590.667 Einwohner und einer Fläche, die mit der des Saarlandes vergleichbar ist, hat im EU-weitem Vergleich eine hohe Lebensqualität mit einem sehr gut funktionierendem Sozialsystem. Seit dem 1. August 2017 ist der gesamte öffentliche Transport in Luxemburg für junge Leute bis 20 Jahre kostenlos.

Forderungen der nationalen Studentenvertretung ACEL sowie eine Petition der Luxemburger Christlichen Gewerkschaftsjugend LCGJ brachte die Luxemburger Regierung dazu, den kostenlosen öffentlichen Transport auf Studenten bis 30 Jahre auszuweiten. Die Maßnahmen der Regierung, welche in der Bevölkerung überwiegend Akzeptanz fanden, sollen vor allem der finanziellen Entlastung von Schülern und Studenten dienen, aber auch Anstrengungen zur Entlastung des Straßenverkehrsnetzes unterstützen.

In Deutschland ist der öffentliche Transport, welcher in einingen Bundesländern bei Studenten über den Semesterbeitrag ihrer jeweiligen akademischen Einrichtung finanziert wird, meistens nur auf den Landkreis oder das Bundesland ihres Studienortes beschränkt. Würde man dies stattdessen auf Bundesebene ausweiten, hätte dies sicherlich positive Auswirkungen auf die bundesweite Vernetzung der Studierendenschaft. Diese Maßnahme könnte unter anderem auch wirtschaftliche Vorteile haben, etwa für unternehmerische Projekte von Studenten oder für eine Kostensenkung für Start-Ups, die von der nicht im Stau verlorenen Zeit sowie einer kostengünstigeren Verbindung von lokalen und urbanen Zonen profitieren könnten.

Einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag der WELT zufolge sind 51 Prozent der Deutschen dafür, dass alle Bürger den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen dürfen. In Bezug auf das Alter sehen 63 Prozent der Menschen unter 30 Jahre den kostenlosen Nahverkehr als positiv an, was zeigt, dass bei einem kostenlosen Angebot junge Menschen wesentlich eher bereit dazu wären, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Nicht nur eine Vision für Deutschland, sondern auch für Europa

Im digitalen Zeitalter, in dem Smartphones es einfacher machen, verschiedene Verkehrsmittel miteinander zu kombinieren, und Leihfahrräder unser Stadtbild prägen, ist es an der Zeit, die Zeichen eines modernen Wandels zu erkennen und zu nutzen. Investitionen, die zu einem nachhaltigen Umdenken, zu einer Erhöhung der Lebensqualität in unseren Städten und einer daraus folgenden gesteigerten wirtschaftlichern Attraktivität führen, dürfen nicht aus Gründen einer fehlenden Bereitschaft zu Finanzierung scheitern.

Die Überlegungen könnten über die deutschen Landesgrenzen hinaus gehen. Ein kostenlosenr öffentlicher Transport, beispielsweise für Studenten innerhalb der Europäischen Union, wäre ein weiterer wichtiger Schritt für das Zusammenwachsen und die Verständigung junger Menschen in Europa. Das Eramusprogramm hat erfolgreich bewiesen, wie wichtig Mobilität für europäische Identität ist. Zudem wäre es ein Meilenstein zur Förderung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit einzelner europäischer Bahnunternehmen, da die Überlegungen in Richtung einer einheitlichen europäischen Monats- oder Jahreskarte für alle EU-Bürger führen könnten.

Deutschland hat es in der Hand, auch im Bereich des öffentlichen Transportes neue Akzente zu setzen. Wie diese konkret aussehen werden - kostenloser Nahverkehr für alle, nur für junge Menschen oder ein gänzlich anderes Konzept -, liegt schlussendlich zum größtenteils bei der Bundesregierung. Dennoch hat Deutschland jetzt die Chance, sich innovativ zu zeigen und an der Spitze eines sozialen und nachhaltigen Fortschritts zu stehen – es sollte sie nutzen.

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