Grachten, schmucke Häuser und ein mittelalterlicher Stadtkern, der seit dem Jahr 2000 als UNESCO-Weltkulturerbe gilt - diesen Eindruck macht Brügge, gelegen im Nordwesten Belgiens nicht weit von der Nordsee, auf seine Besucher*innen. Drei bis vier Millionen von ihnen kommen jedes Jahr, und die Schönheit der Stadt zu bewundern. Der Grund, warum es junge Europäer*innen in die Stadt zieht, ist jedoch ein anderer: Hier befindet sich das College of Europe, die Kaderschmiede der EU schlechthin, in der seit 1949 junge Menschen auf eine europäische Karriere vorbereitet werden. Hier hat auch Christopher Glück, der Vorsitzende der JEF Europa, studiert. Wir haben mit ihm über das Auswahlverfahren, die Studienatmosphäre und die Perspektiven für Absolvent*innen gesprochen.
Warum hattest du dich für ein Master-Studium am College of Europe entschieden?
Mich hat am College of Europe gereizt, dass es mehr ist als nur eine sehr gute Universität für Europastudien. In einer Zeit, in der selbst in der Politikwissenschaft normative Ansätze außer Mode geraten sind, ist das College of Europe fast schon anachronistisch in seinem Anspruch, Studierende dafür befähigen zu wollen, für ein besseres Europe - für „ever closer Union“- zu arbeiten. Für mich war gerade dieser Aspekt und das europäische Leben auf dem Campus, durch das ich mehr über Europa gelernt habe als in den Seminaren, überzeugend.
Wie hast du das Bewerbungsverfahren und die Auswahlkommission empfunden?
Ich habe den respektvollen Umgang mit den Bewerber*innen und die klare Kommunikation als sehr angenehm empfunden. Wichtig für mich war auch, dass die Entscheidung über das Vollstipendium, von dem die Mehrzahl der Studierenden profitieren, sehr schnell getroffen wurde. Das Auswahlverfahren ist natürlich etwas speziell, vor allem das Interview mit der vielköpfigen Auswahlkommission auf drei Sprachen, aber auch eine spannende Erfahrung. Ich war erstaunt, dass relativ wenige Fragen zu meiner Motivation gestellt wurden und doch recht viel traditionelle Wissensabfrage stattgefunden hat - irgendwie gelingt es der Auswahlkommission aber dennoch Jahr für Jahr Studierende auszuwählen, die auch den richtigen Spirit für ein sozial sehr intensives Jahr mitbringen.
Was hat dir am College am besten gefallen – was weniger?
Ich hatte eines der besten Jahre meines Lebens am College of Europe und denke sehr gerne und manchmal auch mit etwas Wehmut an meine Zeit dort zurück. Dem College of Europe gelingt es mehr als anderen Masterstudiengängen Studierende anzuziehen, die sich eben nicht nur akademisch ausgezeichnet haben, sondern die sich in ganz unterschiedlichen Umständen für politischen Fortschritt eingesetzt haben und einsetzen wollen. Diese Freundschaften sind mir bis heute viel wert. Dazu kommt die sehr bereichernde kulturelle Erfahrung ein Jahr lang sehr eng mit Menschen aus rund 30 Ländern zusammenzuleben. Und nicht zuletzt ist es natürlich ein manchmal forderndes aber auch spannendes und vielseitiges akademisches Programm mit Professor*innen aus ganz unterschiedlichen akademischen Traditionen. Leider waren nicht alle Kurse immer didaktisch auf der Höhe der Zeit und an manche der sehr hierarchischen französisch geprägten Traditionen des Colleges konnte ich mich auch nicht richtig gewöhnen. Am Ende hat mich das aber nicht nachhaltig gestört.
Inwiefern hast du von dem Studium dort profitiert?
Mein Blick auf Europa hat sich definitiv verändert und ist vielleicht etwas weniger ein deutscher Blick auf Europa geworden. Für mich war dabei vor allem der Blick nach Osteuropa neu, wo es für mich für mich nochmal eine neue Welt zu entdecken gab. Als Politikwissenschaftler haben mir der Einblick in EU-Recht und wirtschaftswissenschaftliche Grundkenntnisse durch das Studium in Natolin sicherlich geholfen, beruflich schnell Fuß zu fassen. Und natürlich ist es schön, überall in Europa gute Freunde zu haben.
Wie war dein Werdegang nach dem Studium?
Ein wesentlicher Vorteil des Colleges ist, dass man mit so vielen Ideen und Möglichkeiten in Kontakt kommt. Ich habe direkt nach dem College beim britischen Finanzministerium angefangen und dort für die britische Regierung EU-Dossiers verhandelt. Diese Idee hätte ich niemals selbst gehabt, sondern ein Kommilitone, der selbst britischer Beamter ist, hatte mich auf die Ausschreibung aufmerksam gemacht und mich für Bewerbung gebrieft. Nach dem Brexit bin ich von der Insel geflohen und habe nun zwei Jahre lang als Referent für einen Europaabgeordneten gearbeitet. Im nächsten Jahr wird ein Traum für mich war und ich werde Vollzeit für die JEF tätig sein. Danach schauen wir mal weiter, aber Europa werde ich sicherlich treu bleiben. In diesem Zusammenhang sollte ich vielleicht auch sagen, dass die „College Mafia“ gottseidank eher ein Mythos ist. College-Absolventen sind in der Regel motivierte und offene Menschen, aber sicherlich kein elitärer Klüngel.
Wem empfiehlst du ein Studium am CoE?
Wer für Europa brennt, hungrig auf neue Eindrücke ist und sich auf ein sehr intensives Jahr - zeitlich, sozial und akademisch- einlassen möchte, ist genau richtig und wird ein tolles Jahr haben. Generell würde ich den Master eher nicht als Vorbereitung auf eine Promotion empfehlen, dafür ist das Programm dann doch zu praxisorientiert und kann zeitlich bei dem Umfang des Stoffes auch nicht genügend in die Tiefe gehen.
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