ejR Mazedonien

Mit der Namensänderung zum EU-Beitritt?

, von  Andrea Joveski

Mit der Namensänderung zum EU-Beitritt?
Skopje, Hauptstadt der eJR Mazedonien. „Die Absurdität einer Namensänderung wird durch die ohnehin eng miteinander verflochtene Geschichte unterstrichen.“ Foto: Pixabay / ExplorerBob / CC0 1.0 Universell (CC0 1.0) Public Domain Dedication

Am 30. September wird in der ejR Mazedonien über die Änderung des Staatsnamens abgestimmt. Für das kleine Land ist diese Entscheidung vital, war die Namensfrage eins der wichtigsten Hindernisse für den EU-Beitritt.

Viele große politische Kräfte Europas haben dem kleinen Land auf dem Balkan, dessen Name nicht genannt werden darf, zu dem Schritt, jenen zu ändern und damit die jahrzehntelangen Streitigkeiten mit Griechenland endlich zu beenden, beglückwünscht. Er soll ein großer Sprung heraus aus der internationalen Isolation sein, in der sich die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien seit ihrer Unabhängigkeit (1991) befindet. Doch inwiefern ist dieser Schritt gerechtfertigt und inwiefern handelt es sich tatsächlich um einen, der zur Integration in die Europäische Union führen wird?

Seit der Unabhängigkeit bestimmt dieser Streit die Annäherungsversuche der ehemaligen jugoslawischen Republik (ejR) Mazedonien an die EU. Das Veto Griechenlands hat dem Land viele Steine in den Weg zu einem möglichen EU-Beitritt gelegt und nun erhofft sich besonders die junge Generation durch die Lösung des Streits endlich in der EU ankommen zu können.

Ein Stück Identität und Geschichte

Der Namensstreit ist das Ergebnis historischer, geografischer und kulturologischer Überschneidungen, die den heutigen Territorien und der dort lebenden Bevölkerung Griechenlands und der ejRM Mazedonien ihren Stempel aufgedrückt haben. Im Norden Griechenlands liegt eine Provinz, die eben den Namen trägt wie sich auch das Land oberhalb der Grenze nennt - Mazedonien. Dies ist Griechenland ein Dorn im Auge, stifte es doch identitätsbezogene Verwirrung und Zugehörigkeitskonflikte. Der Name müsse geändert werden und in diesem Kontext auch alle Symbole, die mit der hellenischen Kultur in Verbindung gebracht werden können, im nördlichen Nachbarland verboten werden, so die Forderung.

Die Meinungen sind gespalten, die Absurdität einer Namensänderung wird durch die ohnehin eng miteinander verflochtene Geschichte unterstrichen. Dennoch war es der ejR Mazedonien immer klar, dass ein Kompromiss mit Griechenland eingegangen werden müsste, um das Land aus der griechischen Blockade heraus und in internationale Gewässer zu führen. Die ejR Mazedonien möchte in die Europäische Union, der Großteil ihrer Bürger*innen will dies noch mehr: Das Land ist dafür einen großen Kompromiss eingegangen und hat mit Griechenland einen Einigungsvertrag unterzeichnet. Trotzdem ist die Lage angespannt und es gibt Zweifel, ob der Kompromiss gerechtfertigt ist. Zweifel an der Fairness des Vertrags. Viele Bürger*innen befürchten, ihre Identität zu verlieren, andere wiederum sehen dies als einzige und letzte Möglichkeit, der EU beizutreten.

Die Ungewissheit bleibt

Was sie alle vereint ist das Gefühl, machtlos zu sein; so oder so, man kann nichts ändern, da sich das Gesetz des Stärkeren durchsetzen wird - sei es ausgehend von den mazedonischen politischen Eliten oder unter dem Druck und Einfluss Griechenlands in der EU. Dieses Gefühl der Ohnmacht hat weniger mit den konkreten Ereignissen um den Namensstreit zu tun, sondern viel mehr mit der tatsächlichen politischen Lage Mazedoniens. Einige erhoffen und erwarten durch die Namensänderung einen schnellen EU-Beitritt und damit bessere Lebensbedingungen in allen Bereichen. Der eingegangene Kompromiss bedeutet jedoch keinen garantierten Beitritt, denn das Land hat seit der Unabhängigkeit mit ausschweifender Korruption, einer von den Eliten beeinflussten Justiz, einem sichtbaren Mangel an Rechtsstaatlichkeit und abhängigen Medien zu tun. Dieser Hintergrund wird auch bei der nicht sachlich geführten politischen Debatte um den Namensstreit deutlich, wo mit Vorliebe hohle Phrasen und leere Versprechungen verteilt werden. Es fehlt an verständlichen Erklärungen, an Aufklärung und wirklicher Information, worin der Kompromiss besteht, worauf das Land sich eingelassen hat und was sie realistisch erwarten können.

Wie auch immer das Referendum am 30. September in der ejR Mazedonien ausgehen wird, ein bitterer Nachgeschmack wird bleiben, und viele innere Konflikte werden sich nicht über Nacht in Luft auflösen. Die relativ neue Regierung hat sich in die Lösung dieses hochkomplizierten und sensiblen Problems hineingestürzt und dabei vergessen, warum es im Dezember 2016 Neuwahlen gab. Viele der Bürger*innen sehen einen Ausweg in der EU, aber noch mehr wünschen sie sich einen aufrichtigen Willen bei allen Akteur*innen in Politik und Gesellschaft, die großen inneren Probleme des Landes tatsächlich ernst zu nehmen und die dringend notwendigen Reformen anzugehen. Damit die europäische Integration gelingt und was noch wichtiger ist, damit die Bürgerinnen und Bürger ein chancengleiches Leben führen können, muss weitaus mehr geändert werden als „nur“ der Name.

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