Warum Studierende Parlamente brauchen

, von  Marie Menke

Warum Studierende Parlamente brauchen
Dürfen Studierende ihre Fahrräder mit ihren Studierendentickets kostenlos im Bus mitnehmen? Auch das verhandelt der AStA.
Quelle: Pixabay / kennG / Creative Commons CC0

Sie verwalten unser Geld, aber wenn sie gewählt werden, geht kaum jemand hin: Markus, Lena und Daniel erzählen, warum sie sich trotzdem in den Studierendenparlamenten ihrer Unis engagieren.

Studieren ist mehr als nur Vorlesungen: Wir essen Reissalat und Spinatlasagne in der Mensa, fahren mit dem Semesterticket in den Wochenendurlaub und ziehen in Studierendenwohnheime. „Ohne eine studentische Vertretung müssten wir das unter ganz anderen Bedingungen machen“, sagt Lena Engel. Im Studierendenparlament der Uni Bonn ist sie Fraktionssprecherin der Grünen Hochschulgruppe, stellt Anträge, diskutiert, stimmt ab und entscheidet mit.

Das Prinzip ist einfach: Alle Studierenden wählen ein Parlament. Das stimmt über den Haushalt ab, also auch darüber, wofür das Geld aus den Semesterbeiträgen ausgegeben wird. Der Semesterbeitrag, den alle Studierenden zahlen, ist keine Studiengebühr, sondern wird vom AStA und vom Studierendenwerk verwaltet. Der größte Anteil geht für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel drauf: Wie viel die kosten, verhandelt wiederum der AStA mit der jeweiligen Verkehrsgesellschaft. Und das Parlament wählt die Referent*innen des AStAs, entscheidet damit zum Beispiel über die inhaltliche Ausrichtung von Beratungen mit. Für die Gewählten ist das Engagement ehrenamtlich. Parteimitglied muss niemand im Parlament oder AStA sein, Student*in aber schon.

Je nach Uni, weicht das System ab: Dann gibt es zum Beispiel Räte, die mitunter Parlament und AStA zugleich sind. Immer geht es darum, dass die Studierenden bei Entscheidungen und nach außen vertreten werden. Eigentlich Grund genug, um mitbestimmen zu wollen, wer in diesem AStA sitzt: Ob der sich für mehr Nachhaltigkeit oder mehr Digitalisierung einsetzt, ist schließlich vom Ergebnis der Wahl zum Studierendenparlament abhängig. Ob Sozialist*innen, Konservative oder andere über das Geld bestimmen, auch.

Parlament ohne Wähler*innen

Das Problem: die niedrige Wahlbeteiligung. Markus Wessels war im vergangenen Semester an der Uni Wuppertal für die Jusos, also die Jungsozialist*innen, im Studierendenparlament. „Im letzten Jahr sind bei uns erstmals weniger als fünf Prozent der Studierenden wählen gegangen“, erzählt er.

„In Wuppertal mussten in den letzten Jahren auch mal Wahlen wiederholt werden“, weiß Markus. Obwohl das eine Weile her ist, spürt er noch das fehlende Vertrauen: „Viele sehen keinen Sinn darin, nochmal wählen zu gehen.“ Außerdem sind die Themen kleinteilig: Es muss diskutiert und entschieden werden, ob zum Beispiel Fahrten zu Gedenkstätten und Deutschkurse für internationale Studierende organisiert und finanziert werden. Bezug zum eigenen Unialltag sieht darin nicht jeder. Die Arbeit des Parlaments zu erklären wird damit nicht einfacher.

Kreuz im Internet machen

In Wuppertal wurde als Reaktion darauf die Öffentlichkeitsarbeit aufpoliert: Infostände, Facebookauftritt, Livestream. „Mein persönlicher Ansatz ist, für mehr Kontroverse zu sorgen“, sagt Markus, „Wenn die antretenden Listen sich in ihren Inhalten deutlich voneinander unterscheiden, haben die Studierenden auch das Gefühl, dass sich die Wahl lohnt.“

Einen anderen Weg ist die Uni Gießen gegangen: Als 2015 die Wahlbeteiligung bei nur 17,5 Prozent lag, wollte das Studierendenparlament reagieren – und führte Online-Wahlen ein. Gleich im nächsten Jahr stieg die Wahlbeteiligung auf 21,8 Prozent, mittlerweile liegt sie bei 26,3 Prozent. Daniel Heinz sitzt in Gießen im Studierendenparlament: Einwände, dass Online-Wahlen aufgrund von Datenschutzverordnungen nicht möglich seien, lässt er nicht gelten. Stattdessen: „Die Rechtsabteilung der Uni hat das gecheckt und ein externes Unternehmen wurde beauftragt, um Datenschutz zu gewährleisten. Da muss auf vieles geachtet werden, aber möglich ist es.“

Wählen? Oder selbst mitmischen.

„Als ich mich eingeschrieben habe, fand ich den AStA nicht sehr politisch“, erinnert sich Markus. „Ich hatte immer etwas zu meckern, habe immer etwas gesehen, wo man die Studierenden besser vertreten könnte.“ Für ihn war es im letzten Semester besonders wichtig, eine Position zum neuen Hochschulgesetz auszuarbeiten und diese auch ins Parlament zu tragen.

Lena ist in Bonn im Ausschuss für Geschlechtergerechtigkeit und befasst sich mit der Frage, wie alle Geschlechter angemessen und fair im Studierendenparlament vertreten werden können. Wenn einmal im Monat das Parlament tagt, kann so eine Sitzung für sie schon einmal vier oder fünf Stunden dauern. Dazu kommen weitere Stunden, Fraktionssitzungen, Koalitionstreffen und Antragsvorbereitungen. „Außerdem machen wir viel Lobbyarbeit“, sagt Markus. „Wir konnten ja nicht direkt über das Hochschulgesetz entscheiden, aber uns wie ein Interessenverband dafür einsetzen, dass es besser wird.“

Ins Studierendenparlament wird man gewählt. Zu den Treffen einer politischen Hochschulgruppe kann jeder gehen und mitmischen. „Auch wenn man noch nicht viel über die Strukturen an der Uni weiß, lohnt es sich, um einen Einblick zu bekommen, zu diskutieren, Projekte zu organisieren und mitzubestimmen“, sagt Lena. Empfehlen würde sie die Arbeit im Studierendenparlament jedem. Politik an der Uni ist eben Politik, die uns betrifft.

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