Neue Übersetzung: Pologne : la plus grosse crise politique depuis 1989 ?

Polen: Steuert das Land in seine größte politische Krise seit 1989?

, von  Emma Brycove, Le Courrier d’Europe, übersetzt von Julian Dämpfle

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Polen: Steuert das Land in seine größte politische Krise seit 1989?
Polnische Flagge bei einer Demonstration Foto: 3005398 /Quelle: Pixabay / Lizenz: Pixabay

Eine halbe Millionen Menschen haben sich am 4. Juni in den Straßen der polnischen Hauptstadt Warschau versammelt – das gab es zum letzten Mal bei den Demonstrationen gegen die UDSSR im Jahr 1989. Einer der wohl wichtigsten Demonstrationen von einem Volk, dass sich nicht unterkriegen lässt und das trotz der fragwürdigen Maßnahmen der rechts-nationalistischen Regierung.

Die Demonstration vom 4. Juni wird von einigen Medien als die größte Anti-Regierungs-Demonstration des Jahrhunderts eingestuft. Donald Tusk, der polnische Oppositionsführer und ehemaliger Präsident des Europäischen Rates, hatte schon seit Mitte April zu Demonstrationen aufgerufen. Sie richten sich vor allem gegen die aufgrund der Inflation gestiegenen Preise. Auch das Datum der Demo wurde nicht zufällig ausgewählt: Am 4. Juni wird den ersten freien Wahlen in Polen vom Jahr 1989 gedacht.

Seit 2015 hat in Polen die rechts-nationalistische Partei „Recht und Justiz“ (PiS) das Sagen. In dieser Zeit wurden schon so einige kontroverse Gesetze verabschiedet, die – um nur zwei zu nennen – beispielsweise den Einfluss der Medien und die Rechte der LGTBQIA+ Gemeinschaft einschränken.

Restriktive Abtreibungsgesetze in Polen

Das Gesetz, das vermutlich den größten Skandal ausgelöst hat, war jenes, dass den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einschränkte. In Polen sind diese nur bei akuter Gefahr für die Mutter, Vergewaltigung und Inzest möglich. Ende Mai war die Polin Dorota Lalik an einer Sepsis verstorben, weil sich die Ärzt*innen trotz der Komplikationen gegen eine Abtreibung entschieden. Lalik ist kein Einzelfall und tausende Pol*innen sind darüber verärgert.

Vergangenen Mai hat die polnische Regierung dann auch noch ein Gesetz erlassen, dass die Gemüter weiter erhitzen dürfte: Es sieht einen Untersuchungsausschuss vor, der den Einfluss Russlands auf frühere Regierungen unter die Lupe nehmen soll. Die liberale Medien hatten das Gesetz aufs Schärfste verurteilt.

Schaltet die polnische Regierung gezielt politische Gegner aus?

Das Gesetz sei zudem verfassungswidrig, heißt es von Seiten der Opposition, die darin einen Mittel zum Zweck sieht, um Oppositionsführer Donald Tusk auszuschalten. Er wird beschuldigt, während seiner Amtszeit als Ministerpräsident von 2007 bis 2014, unter russischem Einfluss gestanden zu haben.

Tatsächlich könnte Tusk dieses Manöver bei den Wahlen im Herbst zum Verhängnis werden. In wenigen Monaten wird die PiS die neun Mitglieder, der von ihnen einberufenen Kommission, ernennen. Diese könnten Donald Tusk für zehn Jahre aus allen Ministerämtern verbannen. Aus diesem Grund wurde das Gesetz von den Protestierenden als „Lex Tusk“ bezeichnet.

Ausschwitz-Video sorgt für Aufsehen

Für viel Ärger sorgte auch ein Video, dass Anfang Juni von der regierenden PiS veröffentlicht wurde: Die nationalkonservative Regierungspartei verwendete dabei Aufnahmen aus dem ehemaligen Konzentrationslager Ausschwitz, um die geplante Demonstration der Opposition zu diskreditieren.

Das per Twitter publizierte Video zeigt zu dem Geräusch marschierender Stiefel das Torhaus in Auschwitz und den Eingang des Stammlagers mit der zynischen Überschrift „Arbeit macht frei“. Eingeblendet wird ein Tweet des PiS-kritischen Journalisten Tomasz Lis. Er schrieb, es werde sich eine „Kammer“ für Präsident Andrzej Duda und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski finden. Im Polnischen wird das Wort für „Kammer“ meist mit „Gaskammer“ assoziiert. Lis hatte sich später für den Tweet öffentlich entschuldigt.

In dem Video folgt dann die Frage: „Willst du wirklich unter diesem Motto mitgehen?“, und das Logo der für den 4. Juni geplanten Protestdemo. Die Gedenkstätte Auschwitz verurteilte das Video und sprach von einer „Beleidigung für die Erinnerung an die Opfer“. Dies ist ein trauriger, schmerzlicher und inakzeptabler Ausdruck der moralischen und intellektuellen Korruption der öffentlichen Debatte, hieß es weiter in einem Tweet des Museums.

Um die Lage zu entschärfen und das Ausmaß der Demonstration am 4. Juni herunterzuspielen, sprach der Fernsehsender TVP schließlich von einem „Hassmarsch“. Doch all das schien eher das Gegenteil zu bewirken: Die Regierung schien die Debatte damit nur noch mehr anzuheizen und brachte schlussendlich vermutlich viele Bürger*innen auf die Straße, die ursprünglich gar nicht vorhatten, demonstrieren zu gehen.

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