Progressive Politik ganz nüchtern - Uruguays ehemaliger Präsident José Mujica

, von  Stéphanie-Fabienne Lacombe

Progressive Politik ganz nüchtern - Uruguays ehemaliger Präsident José Mujica
Der Präsident, die Käppi und der VW - José „Pepe“ Mujica © Gonzalo Viera Azpiroz / Flickr / CC 2.0-Lizenz

Er legalisierte Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe und Marihuana-Konsum. Uruguays ehemaliger Präsident Pepe Mujica prägte das Land mit seiner progressiven Politik. Anfang Februar kommt sein Nachfolger Tabaré Vázquez nach Europa.Seine Reise führt ihn nach Deutschland, Finnland und Russland.

„In meinem ersten Lebensabschnitt war ich Landwirt, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dann widmete ich mich dem Kampf zur Verbesserung des Lebens in meiner Gesellschaft. Gerade bin ich Präsident und morgen werde ich wie jeder verschwunden sein.“ So fasst José, genannt Pepe Mujica seine bewegte Biographie zusammen. Einfache Worte und klare Ziele - dafür steht der ehemalige Präsident Uruguays auch nach seiner Amtszeit. Der heute 82-jährige war und ist ein weltweit vielbeachteter Leader, für die Deutsche Welle kommentiert er monatlich das Weltgeschehen. Mujicas Leben verlief filmreif - der gelernte Blumenzüchter war in der linksradikalen Stadtguerilla Tupamaros aktiv und verbrachte unter der Militärdiktatur 14 Jahre im Gefängnis. Seinen Folterern verzieh er im Nachhinein.

Während seiner Amtszeit von 2010 bis 2015 fand Uruguay plötzlich Bedeutung auf der weltweiten Bühne. Der Repräsentant des nur 3,5 Millionen Einwohner zählenden Staats überzeugte durch seine Authentizität. Nie sah man ihn mit Krawatte und dafür stets mit großen Worten...und auch Taten. Die von ihm gepredigte Nüchternheit setzte er in der Praxis um, indem er auf einen Umzug in den Präsidentenpalast sowie einen Privatjet verzichtete und stattdessen in seinem kleinen Bauernhof wohnen blieb, weiterhin seinen alten VW-Käfer fuhr und den Großteil seines Gehalts spendete. „Ich muss sagen, was ich denke“ - nach diesem Motto kritisierte derPolitiker des Mitte-links-Bündnisses Frente Amplio die Konsumgesellschaft und das Wachstumsparadigma.

Politisch waren insbesondere drei Reformen einzigartige politische Statements. Mujica gab Forderungen nach Abtreibungsrecht und gleichgeschlechtlicher Ehe nach und legalisierte und organisierte den Verkauf und Konsum von Marihuana. Weltweit steht Mujica für progressive Politik. Damit reiht er sich in die politische Linie ein, die das Land seid seiner Unabhängigkeit 1825 zu verfolgen scheint. In Südamerika ist Uruguay eine Oase der Stabilität und Sicherheit, was internationale Investoren anzieht. Mit Korruption und Kriminalität hat der Staat im Unterschied zu seinen Nachbarn Argentinien und Brasilien wenig zu kämpfen. Die Wirtschaft wächst, und die Infrastruktur ist dank der hohen Steuereinnahmen insbesondere bei Importen sehr gut ausgebaut, genau wie das Bildungssystem: in den Schulen steht jedem Kind ein Laptop oder Tablet zur Verfügung (Bildungsplan Ceibal). Spezielle Gesetze ermöglichen Menschen mit Behinderung einen vereinfachten Zugang zum Arbeitsmarkt (in der öffentliche Verwaltung gilt eine Quote von 4%). Flüchtlingen aus Venezuela wird Asyl gewährt. Letztendlich steht das Land auch für Modernität im Umgang mit Religion: seit über hundert Jahren (!) werden in Uruguay Kirche und Staat getrennt. So heißt die Osterwoche zum Beispiel einfach „Semana del Turismo“ und auch im Alltag bleibt Religion Privatsache.

Im Ausland wird Mujica stets positiv wahrgenommen, natürlich ist in Uruguay selber die Meinung zu ihm differenzierter: so wird oft kritisiert, er habe die Bildungsreform an die Wand gefahren und Uruguays Ergebnisse beim Pisa-Test seien immer unter dem Durchschnitt der OECD. Auch wenn die Arbeitslosigkeit gesunken ist, steigen die Lebenshaltungskosten. Auf Mujica folgte 2015 Tabaré Vázquez. Die Uruguayische Verfassung schließt eine direkte Wiederwahl aus. Dieser tritt im Februar eine Europareise an. Der Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen wird dabei im Fokus stehen. Auch wenn Mujica politisch nicht alles erreicht hat, hat er sowohl das Land als auch dessen Bild auf der internationalen Bühne verändert. Und das Politikerbild wandelt ein Mensch wie Mujica allemal.

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