Wagner-Aufstand

Putschversuch in Russland: Internationale Reaktionen

, von  Benedikt Putz

Putschversuch in Russland: Internationale Reaktionen
Wladimir Putin bei seiner Ansprache zum Wagner-Aufstand am 24. Juni Foto: Wikimedia Commons / Kremlin.ru / Copyright

Etwas mehr als eine Woche ist es nun her, dass die Gruppe Wagner in Russland einen Putschversuch startete (und nach wenigen Stunden beendete). Die internationalen Reaktionen ließen natürlich nicht lange auf sich warten. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Sichtweisen auf die Wagner-Revolte erheblich. Wie reagierten also Kiew und die Westlichen Partner der Ukraine auf den Putschversuch? Welche Sicht der Dinge herrscht in Peking vor? Und was sagen andere Staaten über den Aufstand?

Als wir am Samstag, dem 24. Juni morgens aufwachen, schauen wir alle erst einmal verwundert auf unser Handy. Über Nacht hat die Gruppe Wagner unter der Führung von Jewgeni Prigoschin einen Putschversuch gestartet. Die Millionenstadt Rostow am Don ist bereits unter ihrer Kontrolle und ein Militärkonvoi rollt auf Moskau zu. Im Minutentakt folgen den ganzen Tag über neue Meldungen aus Russland bis der Aufstand am Abend zu einem jähen Ende kommt. Unter der Federführung des belarussischen Diktators Lukaschenko wurde ein Deal ausgehandelt: Prigoschin muss nach Belarus ausreisen und erhält dafür Straffreiheit. Die restliche Welt hält derweil den Atem an. Außenministerin Annalena Baerbock verschiebt den Start ihrer Südafrika-Reise, der Wagner-Aufstand wird zum meistkommentierten Thema auf der chinesischen Kurznachrichtenplattform Weibo und die Kommandozentrale in Kiew spekulierte über die Auswirkungen auf ihre Verteidigungsoffensive in der Ostukraine.

Zurückhaltende Hoffnung in Kiew

Vor einigen Wochen startete die Ukraine eine erneute Militäroffensive zur Rückeroberung von Gebieten im Osten des Landes. Diese geht bisher nur schleppend voran und die Gebietsgewinne sind überschaubar. Als am 24. Juni Meldungen über die Eroberung Rostows am Don durch Wagner-Söldner Kiew erreichten, flammte zumindest für einige Stunden Hoffnung auf. Gespannt verfolgten nicht nur die Regierungs- und Militärkader, sondern die gesamte Bevölkerung den Verlauf des Aufstands.

So schnell wie die Hoffnung kam, war sie dann aber auch schon wieder verflogen. Mit dem Pakt zwischen Putin, Lukaschenko und Prigoschin konnte die Kreml-Führung zumindest vorerst den Kopf aus der Schlinge ziehen. Was jedoch bleibt, ist die Hoffnung, dass sich die Schlinge um Putins Hals immer enger zieht und der Krieg somit irgendwann ein Ende haben wird. Dies spiegelt sich auch im Kommentar des ukrainischen Präsidenten Selenskyj zum Wagner-Aufstand wider: „Jeder, der den Weg des Bösen wählt, zerstört sich selbst. […] Die Schwäche Russlands ist offensichtlich.“

Im Westen nichts Neues – Verhaltene Reaktionen der NATO-Partner

Auch die NATO-Mitgliedstaaten verfolgten die Geschehnisse in Russland mit gespannter Aufmerksamkeit. So kommentierte der polnische Premierminister Morawiecki, dass Polen die Ereignisse „genau beobachten“ würde und bekräftigte die Bemühungen des Landes um eine Verstärkung der Verteidigung an den Grenzen zu Belarus und Russland. Ähnlich äußerte sich der französische Präsident Macron, der auf die „extremen Spaltungen“ und die daraus resultierende „Fragilität“ des russischen Regimes hinwies. Bundeskanzler Scholz stimmte ebenfalls in den Tenor ein, dass Putin durch den Putschversuch „geschwächt“ sei. Dieses Bild scheint auch in den restlichen europäischen NATO-Staaten vorzuherrschen.

Lediglich der ungarische Premierminister Orbán und der türkische Präsident Erdoğan sind hier anderer Meinung. In einem Interview mit dem BILD-Reporter Paul Ronzheimer sagte Orbán, dass die Ukraine „kein souveränes Land mehr“ sei und unterstrich darüber hinaus die Stärke des russischen Präsidenten. Erdoğan habe laut Putin in einem Telefonat seine „volle Unterstützung“ für die Kreml-Führung ausgedrückt. Somit zeichnen sich in den Reaktionen auf den Wagner-Aufstand die gleichen Muster ab, die auch schon in den letzten Monaten das Mit- bzw. Gegeneinander in der NATO bestimmten.

Auf der anderen Seite des Atlantiks war man hingegen vor allem damit beschäftigt, die eigene Nichtbeteiligung am Putschversuch hervorzuheben. Laut einem Bericht der US-Zeitung POLITICO nutzte Washington diplomatische Kanäle, um dies dem Kreml mitzuteilen. Auch Präsident Biden sagte bei einem Event am Montag nach dem Wagner-Coup: „Wir haben klar gemacht, dass wir nicht involviert waren. Wir haben nichts damit zu tun.“ Nichtsdestotrotz machte Putin in seiner Ansprache den Westen für den Aufstand verantwortlich, da dieser wolle, dass „Russen sich gegenseitig bekämpfen“. Hinsichtlich der Position Washingtons unterstrich Außenminister Blinken, dass die Geschichte noch nicht vorbei sei und man nicht zu voreiligen Schlüssen kommen könne.

Aufatmen in China

Peking hält sich derweil bedeckt über die eigene Einschätzung des Putschversuchs. In den Worten des chinesischen Außenministeriums sei dies „eine innere Angelegenheit Russlands.“ China unterstütze Russland dabei weiterhin „bei der Wahrung der nationalen Stabilität und der Erreichung von Entwicklung und Wohlstand.“ Die unabhängige Hongkonger Zeitung South China Morning Post berichtet jedoch, dass man in Peking durchaus besorgt auf die Entwicklungen in Russland schaue. „Russland war für China immer ein Beispiel dafür, wie man sich auf nationale Sicherheitsrisiken vorbereitet.“, kommentiert ein anonymer chinesischer Wissenschaftler das Geschehen. Es lässt sich festhalten, dass der Sturz des Putin-Regimes eine strategische Katastrophe für Peking wäre, weshalb die Unterstützung für den Kreml voraussichtlich eher zunehmen als abnehmen wird. Aber auch in Hinsicht auf die eigene Machtposition wird man versuchen, Lehren aus den Geschehnissen zu ziehen.

Und wo wurde sonst noch über den Aufstand gesprochen?

Für viele afrikanische Staaten ist der Wagner-Aufstand aus einem ganz anderen Grund interessant. Denn die Söldner Prigoschins sind hier schon seit Jahren in Auseinandersetzungen verwickelt, aktuell vor allem in der Zentralafrikanische Republik, Mali, Libyen und dem Sudan. Der gescheiterte Putschversuch hat somit direkte Auswirkungen auf diese Kriegsschauplätze. Es ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt schwer abzuschätzen, wie sich die neue Machtverhältnisse letztendlich ausdrücken werden.

Einige lateinamerikanische Staaten bekräftigten hingegen ihre Unterstützung für Putin bzw. die Solidarität mit dem russischen „Brudervolk“, wie der kubanische Präsident Díaz-Canel es ausdrückte. Der venezolanische Präsident Maduro twitterte: „Wir senden unsere Umarmung der Solidarität und der Unterstützung an den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, dem es gelungen ist, einen Versuch des Verrats und des Bürgerkriegs zu bewältigen und seinem Volk den Sieg und den Frieden zu garantieren.“ Aber auch der indische Premierminister Modi habe laut Angaben des Kremls „Verständnis und Unterstützung für das entschlossene Handeln der russischen Führung zum Ausdruck gebracht.“

Es bleibt abzuwarten, ob der Putschversuch die tatsächlichen Machtverhältnisse in Russland und im Ukraine-Krieg nachhaltig verändern wird. Eines ist jedoch klar: Der Rest der Welt wird das Geschehen weiterhin genau beobachten.

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