“Ruanda, unser schönes und liebes Land“, heißt es in der Nationalhymne des ostafrikanischen Landes, „verziert mit Hügeln, Seen und Vulkanen“. Tatsächlich ist man von der Landschaft fasziniert, wenn man durch das Land der unzähligen Berglein fährt; ein jeder mit kleinen Äckern übersät. Ruanda ist eine Traumlandschaft. Die Szenerie eines Hobbit-Films. Nur wenig deutet darauf hin, dass hier, in der ehemaligen belgischen Kolonie, am 4. August Präsidentschaftswahlen stattfinden werden.
Auch der Vibe ist im Vergleich mit anderen ostafrikanischen Staaten einzigartig. Die Straßen sind sauber und aufgeräumt, die Leute sind oft ruhig und zurückhaltend. „Langweilig“, meint ein Mann aus Burundi in einer Bar. Eine kleine Idylle im Herzen Afrikas. Einen starken Kontrast dazu bildet die Vorstellung, dass die wahlberechtigte Bevölkerung heute nahezu komplett am Genozid 1994 an der Tutsi-Bevölkerung und moderaten Hutu beteiligt war, dem Morden zugesehen hat oder selbst Opfer der Gewalt war. Damals rotteten radikale Hutu-Milizen zusammen mit der damaligen ruandischen Regierung siebzig Prozent der Tutsi-Bevölkerung aus. Dem penibel geplanten Völkermord fielen damals nach Schätzungen rund 800.000 Menschen zum Opfer.
Dreiundzwanzig Jahre später steht das Land politisch noch immer unter dem Eindruck der Geschehnisse in den 1990er Jahren. Präsident Ruandas ist seit 2000 Paul Kagame, der das mordende Hutu-Regime von Regierungschef Kambanda 1994 mit seiner Ruandischen Patriotischen Front stürzte. Kagame ist für viele derjenige, der Ruanda Stabilität brachte. Redet man mit den Motorradfahrern an der Busstation in Kigali, die bis tief in die Nacht an einem Stand in Pausen Tee trinken, wird der Staatschef für seine Taten gepriesen. Auch international gilt Kagame häufig als der Vorzeigepräsident in Afrika. Tatsächlich brummt die Wirtschaft im Land wie nie. Es herrscht Friede und Stabilität im Land, was für die Region nicht selbstverständlich ist: Im Südsudan herrscht Bürgerkrieg, Hunderttausende sind aus Burundi geflohen, in Kenia werden Wahlkampfveranstaltungen der Opposition durch regierungsnahe Jugendgruppen attackiert. Seit 2007 ist Ruanda Teil der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), die sich konzeptionell an der Europäischen Union und langfristig an der Eurozone orientieren soll.
Kagame gibt sich siegessicher. Und entgegen guter demokratischer Manier verkündete er am 14. Juli, dem ersten Tag seines Wahlkampfes, bereits den eigenen Sieg. Schließlich habe das Verfassungsreferendum von 2015 gezeigt, dass die Bevölkerung ihn, also Kagame, weiterhin im Präsidentenamt sehen wolle. Damals hatte der gewiefte Stratege unter dem Protest der Europäischen Union die Verfassung dahingehend geändert, dass er selbst theoretisch unter der Voraussetzung von Wiederwahlen bis 2034 im Amt bleiben darf. Nach Regierungsangaben stimmten 98 Prozent für die Verfassungsänderung. Die hohe Zahl ließ Kritiker Zweifel an der rechtmäßigen Durchführung der Abstimmung anmelden. Die Europäische Union kritisiert auch, dass Kandidaten nur dann zur Präsidentenwahl zugelassen werden, wenn sie mindestens 600 Unterschriften landesweit sammeln. Aus jeder der dreißig Wahlbezirke müssen mindestens 12 Unterschriften kommen. Darüber hinaus ist der Wahlkampf auf drei Wochen begrenzt.
Kagame verwehrt sich jeder Einmischung in innere Angelegenheiten. Im Land selbst war wenig Kritik zu vernehmen. Die meisten Medien befinden sich in staatlicher Hand. Unterstützung erhielt Kagame auch vom Delegationsführer der Europäischen Union in Ruanda im Mai dieses Jahres Michael Ryan. „Wir haben einen Führer, der Nachweise für seine Arbeit geliefert hat. Und wir haben Gegenkandidaten, die sich noch beweisen müssen. Sie sind unerfahren und sie müssen sich erst noch beweisen.“ Weil mit einer sicheren Wiederwahl Kagames gerechnet werden müsse und der Kosten wegen, schicke die Europäische Union keine Wahlbeobachter nach Kigali, so Ryan.
Aufgrund seines autoritären Regimes, welches selbst im ostafrikanischen Vergleich im Democracy Index des Economist schlecht abschneidet, sind Kagames Wahlprognosen wohl nicht aus der Luft gegriffen. Viele Oppositionelle leben aktuell im Ausland. Journalisten sollen ermordet oder vertrieben worden sein. Auf der Insel Iwawa im Kivusee werden Obdachlose, Straßenkinder, Kriminelle und Regimekritiker interniert. Dass die Opposition zu Kagame unangenehm sein kann, musste zuletzt die Präsidentschaftskandidatin Diane Rwigara erfahren. Ihr nackter Körper war, nur 72 Stunden nachdem sie ihre Kandidatur verkündet hatte, im Netz abrufbar. 2015 starb ihr Vater in einem Autounfall. Rwigara glaubt an politisch motivierten Mord. Präsidentschaftskandidat Phillipe Mpayimana lebte seit der Gewaltwelle der 1990er im Exil. Im Februar kehrte er zurück nach Ruanda. Einige Boulevardzeitungen bezichtigen den 46-jährigen der Relativierung des Genozids. Mpayimana unterstützte wiederholt geflüchtete Hutus im Kongo. Der einzige Gegenkandidat aus einer Partei ist Frank Habineza, dessen Demokratische Grüne Ruandas den Umweltschutz und die Demokratisierung des Landes fördern wollen.
Zwar scheint Kagames Sieg sicher. Trotzdem wird zunehmend Widerstand hörbar. Unter die frivolen Kommentare unter Kagames Facebook-Posts mischen sich zunehmend kritische Stimmen über dessen autoritären Regierungsstil.
Aufgrund der Rahmenbedingungen scheint der Ausgang der Wahl dennoch klar. „Sich nur ein paar Wochen vorher registrieren zu können, mit drei Wochen Wahlkampf und wenn Sie als Unabhängige*r praktisch keine Möglichkeit haben, Geld zu sammeln und sich den Leuten zu zeigen. [...] Dann ist das ein Umfeld, in dem ich vermute, dass das Ergebnis recht vorhersagbar ist.“, so der EU-Beamte Ryan zum anstehenden Wahlgang. Paul Kagame wird wohl auch nach 2017 weiter über die idyllischen, in der Nationalhymne besungenen „Hügeln, Seen und Vulkane“ im ostafrikanischen Land Ruanda herrschen.
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