Eine sehr aktuelle Komödie über das Wesen der Macht
5. März 1953. Stalin ist tot und es beginnt ein bitterer Kampf um die Macht zwischen den beiden Mitgliedern des Präsidiums des Zentralkomitees Chruschtschow und Malenkow, dem Chef des Geheimdienstes Berija und dem Marshall Schukow.
Armando Iannuccis satirische Komödie hätte nur einer von der Masse an „außer-politischen“ Filmen über Stalin sein können. Einer von diesen Filmen, die dem Zuschauer die Tragik und Größe der Epoche vermitteln wollen und somit eigentlich die Gewalt unter Stalin rechtfertigen. In solchen Filmen werden die Opfer als unausweichlich erklärt um den Sieg über Nazi-Deutschland zu erreichen. Doch in „Stalins Tod“ geht es nicht um Stalin und dessen Größe. Stattdessen wird in dem Film der machtpolitische Apparat der UdSSR in den Vordergrund gerückt und die Leiden der Bevölkerung werden schnell augenfällig.
Verbot von Zensur oder Schutz der gesellschaftlichen Sicherheit?
Nun forderte der Gesellschaftliche Rat des russischen Kulturministeriums am 22. Januar, der Generalstaatsanwalt solle den Film vor der Premiere in Russland auf Zeichen von „Extremismus“ oder einer möglichen Gefährdung der gesellschaftlichen Sicherheit prüfen. Kulturminister Medinski kritisierte den offenen Spott über die sowjetische Vergangenheit Russlands. Es zeigt sich: Nicht über alles darf man in Russland lachen.
Die russische Verfassung garantiert eigentlich die Freiheit des Wortes und des Gedankens und verbietet jegliche Art von Zensur (Artikel 29). Paradoxerweise lässt aber dieselbe Verfassung zu, dass föderale Gesetze diese Freiheiten einschränken, indem sie es erlauben keine Lizenz auszuhändigen, wenn ein Film Extremismus oder Propaganda verbreitet.
Dass die Gesetze so ungenau formuliert sind, dass sie, wenn es nötig erscheint, eingesetzt werden können, erkennt man an Fällen, wie dem des Films „Matilda“ im August 2017, der die Affäre zwischen Zar Nikolaus II und einer Ballerina erzählt. Diese amoralische Darstellung des im Jahre 2000 heiliggesprochenen Zars sorgte für Aufruhr in religiösen Kreisen und führte zu einem kurzzeitigen Verbot des Films aufgrund einer anstehenden Untersuchung auf „Extremismus“.
Die Liberalen in Russland beschleicht nun das ungute Gefühl, dass man sich nur begrenzt über manche Themen wie die UdSSR, die Religion oder den Großen Vaterländischen Krieg ausdrücken kann.
Skandale werden zum Alltag
Zensur in der Kultur ist keine Neuerung des Jahres 2018. Schon drei Jahre zuvor wurde zum Beispiel der Film „Kind 44“ über einen Serienmörder in der UdSSR aufgrund von „Verfälschung historischer Fakten“ in Russland verboten. Heute wird die Zensur jedoch fast auf „alltäglicher Basis“ deutlich, meint die Journalistin Larrissa Maliukova.
Nach der Verschiebung der Premiere des Nurejew-Balletts von Juli auf Dezember 2017, welches die Homosexualität und die Emigration des Tänzers thematisiert, der Verhaftung des russischen Starregisseurs Serebrennikows am 22. August 2017, dem kurzzeitigen Verbot des Films „Matilda“, schlägt nun das Verbot des Films „Tod Stalins“ Wellen.
Mehr als sonst noch scheint eine sehr aktive Gruppe innerhalb des Kulturministeriums den moralisch richtigen Weg weisen zu wollen. Im Kontext der Wahlkampagne für die Präsidentschaftswahlen am 18. März 2018, die bewusst am Jahrestag der Annexion der Krim stattfinden, werden die Bemühungen um Sittlichkeit und Moral auf ihren Höhepunkt getrieben.
Vor einigen Jahren wurde liberalen Künstlern ein relativer Freiraum gelassen. Serebrennikow zum Beispiel leitete das Gogol Center, einen freien Kulturschauplatz für zeitgenössische Kunst, und seine kritisch zu verstehenden Filme, wie „Der die Zeichen ließt“, wurden auf internationalen Filmfestspielen prämiert. Doch nun zieht sich die Schlinge enger um diejenigen, die gegen die öffentliche Moral zu verstoßen drohen.
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