Sichere Herkunftsstaaten: Albanien

Länderporträt

, von  Gesine Weber

Sichere Herkunftsstaaten: Albanien
Albanien ist seit 2014 Beitrittskandidat der Europäischen Union © Nicolas Raymond / Flickr / CC BY 2.0

Die Republik Albanien wird auf acht von zwölf nationalen Listen in der EU als „sicherer Herkunftsstaat“ ausgewiesen. Während mit Griechenland und dem Kosovo, die an den Staat an der Adriaküste angrenzen, viele Westeuropäer noch etwas verbinden können, ist Albanien bei den meisten kaum bekannt.

An Montenegro, den Kosovo, Griechenland und die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien angrenzend, liegt Albanien im Westen der Balkaninsel. Während im östlichen Gebirge ein kontinentales Klima herrscht, sind die Temperaturen an der Adriaküste mediterran. Bergland in Höhen von über 6oo Metern prägt etwa die Hälfte des albanischen Staatsgebietes, das etwas kleiner ist als Belgien. In Albanien leben knapp 2.9 Millionen Menschen, davon etwa 600.000 in der Hauptstadt Tirana im Zentrum des Landes. Der Großteil der Bevölkerung sind sunnitische Muslime; ihr Anteil liegt bei etwa siebzig Prozent. Der überwiegende Rest der Menschen sind Christen, davon etwa zwei Drittel griechisch-orthodox und ein Drittel katholisch. Die Gesellschaft kennzeichnet sich durch ein hohes Maß an religiösem Pragmatismus, da die drei Religionen in bemerkenswerter Toleranz zusammenleben; religiösen Extremismus kennt die albanische Geschichte nicht.

Demokratische Wandlung und Öffnung

Lange galt Albanien als eine der letzten Hochburgen des Stalinismus – umso bemerkenswerter ist der demokratische Wandlungsprozess des Landes. Mit den im Jahr 1990 einsetzenden Studentenrevolutionen wurde der totalitären Herrschaft durch die „Partei der Arbeit Albaniens“ unter Führung von Enver Hoshas ein Ende gesetzt, ein Mehrparteiensystem wurde eingeführt und rechtsstaatlichen Prinzipien sowie zentrale Grundrechte in einem ersten Verfassungsgesetz verankert. Die eigentliche Verfassung Albaniens trat 1998 nach einem Referendum in Kraft.

Auch die Außenpolitik Albaniens steht seit den frühen 1990er Jahren unter dem Dogma der Öffnung gegenüber dem Westen: Nach Jahren der Isolation strebt Albanien seitdem die volle Integration in die euro-atlantischen Strukturen an. Diesem Anspruch wurde durch die Aufnahme in die OSZE, einem Handelsabkommen mit der EU und der Aufnahme in den NATO-Kooperationsrat bereits zu Anfang des Öffnungsprozesses Rechnung getragen. Die Beziehungen zum Westen intensivierten sich insbesondere durch das Assoziierungsabkommen mit der EU im Jahr 2006 und den Beitritt zur NATO drei Jahre später. 2014 wurde Albanien offiziell Beitrittskandidat für die EU.

Korruption: endemisches Problem trotz gelungener Transition

Trotz dieses schnell vollzogenen Wandlungsprozesses ist es dennoch zu früh, um Albanien als Demokratie im Sinne des westlichen Demokratiemodells zu bezeichnen. Dies verdeutlicht auch die Einstufung Albaniens durch den Freedom House Index, welcher anhand von bürgerlichen Freiheiten und politischen Rechten Einstufungen von Staaten gemäß ihres Freiheitsgrads vornimmt. Dieser bezeichnet Albanien als „transitional government or hybrid regime“ (deutsch: Regierung im Übergang oder hybrides Regime); somit gilt Albanien als stabil und nicht autoritär, aber aufgrund der Einschränkung einiger Freiheiten kann es noch nicht als semi-konsolidierte Demokratie bezeichnet werden. Dies zeigt sich beispielsweise in der Pressefreiheit, die zwar per Gesetz garantiert ist, aber in der Praxis durch eine von Wirtschaft und Politik abhängige Berichterstattung verdrängt wird. Bereits hier wird das endemische Problem Albaniens deutlich: Korruption durchdringt alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Zwar hat die sozialdemokratische Regierung, welche seit 2013 im Amt ist, ambitionierte Pläne zur Bekämpfung der Korruption. Diese ist jedoch so tief in der politischen und gesellschaftlichen Praxis Albaniens verwurzelt, dass die Vorhaben viel Zeit in Anspruch nehmen werden. Um ebenfalls das organisierte Verbrechen, insbesondere Menschenhandel, Zwangsprostitution und Drogenhandel, im Land effektiver bekämpfen zu können, läuft seit 2014 eine umfassende Justizreform. Nicht zuletzt die Reformbereitschaft des Landes veranlasste die EU im selben Jahr, Albanien fünf Jahre nach der Stellung des Antrags den Status als offizieller Beitragskandidat zu verleihen.

Hauptfluchtgrund ist die wirtschaftliche Lage

Dass Albanien also von einigen Staaten als „sicherer Herkunftsstaat“ eingestuft wird, ist wenig verwunderlich: Auch, wenn bürgerliche oder politische Freiheiten und Menschenrechte nicht im selben Maße wie in einer funktionierenden Demokratie im Sinne des Freedom House Index vorliegen, ist das Land doch in größten Teilen frei von politischer Verfolgung und es gibt keinen offenen Konflikt. Seit Jahren hat das Land mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen, welche die betroffene Bevölkerung in einem Teufelskreis einschließt, der Bildung und den sozialen Aufstieg unmöglich macht. Im Human Development Index 2015 der Vereinten Nationen, welcher Staaten nach ihrem Entwicklungsstand klassifiziert, belegt Albanien Platz 85; das jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei knapp 9.000 Euro. Zwischen Arm und Reich liegt in Albanien eine unüberwindbare Schlucht – es sei denn, man verlässt das Land. In Albanien fliehen die meisten Menschen aus wirtschaftlichen Gründen; da diese jedoch nicht als zulässig für die Gewährung von Asyl angesehen werden, machen sich viele von ihnen vergeblich auf die Reise nach Europa.

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