Umfrage: Rechtspopulisten in EU-Gründerstaaten stark

, von  Tobias Gerhard Schminke

Umfrage: Rechtspopulisten in EU-Gründerstaaten stark
Marine Le Pen führt die europäischen Rechtspopulisten. Mit acht Prozent europaweit ist ihr EU-feindliche Allianz stark wie nie. © Photo Claude TRUONG-NGOC / Wikimedia Commons/ CC BY-NC 2.0-Lizenz

Rechtspopulistische Parteien, die entweder die Rechtsaußenallianz von Marine Le Pen ENF oder Nigel Farages EFDD unterstützen, sind besonders in den sechs Gründerstaaten der Europäischen Union stark. Dies geht aus den Zahlen des europeanmeter des Monats August hervor. Gerade im Hinblick auf die Diskussionen um die Bildung eines föderalistischeren Kerneuropas sind diese Erkenntnisse von Bedeutung.

Im Mittel erreichen die ENF in Deutschland, Frankreich, Italien und den Beneluxstaaten 18 Prozent. Das sind rund zehn Prozentpunkte mehr als im EU-Durchschnitt. Die EU-feindliche Le Pen-Allianz ist besonders in Frankreich (Front National: 29%), den Niederlanden (Partei für die Freiheit: 22%) und in Deutschland (AfD: 15%) auf Höhenflug. Doch auch in Italien (Lega Nord) und Belgien (Vlaams Belang) erreicht die Gruppierung eine bedeutende Wählerschaft von 11 bzw. 6 Prozent.

Die EFDD erreicht im Mittel in diesen Ländern neun Prozent. Dieser Wert liegt ebenfalls vier Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die starken Werte des EFDD-Mitglieds M5S in Italien. Die Gruppierung kommt im Monat August auf 29 Prozent. In Frankreich erreicht die DLF fünf Prozent, in den anderen Staaten erreichen potenzielle Partner der EFDD keine bedeutsamen Ergebnisse in Umfragen.

Insgesamt kommen die EU-feindlichen Rechtspopulisten in den sechs Gründerstaaten also auf 27 Prozent, während sie in den anderen Staaten der Europäischen Union nur fünf Prozent erreichen. Die anti-föderalistischen Fliehkräfte innerhalb der Staaten, die aktuell in der Diskussion um ein Kerneuropa mit starken Kompetenzen für Brüssel im Gespräch sind, sind in diesen Ländern also besonders stark. Es stellt sich die Frage, ob sich dieser Anti-Europaismus in diesen Ländern durch ein Mehr an Europa reduziert oder ob ein zentraleres Europa den gegenteiligen Effekt haben könnte.

Liberale und Eurokonservative schwächer in Gründerstaaten

Deutlich schwächer als im EU-Durchschnitt scheiden eurokonservative Parteien der ECR-Fraktion in den Gründerstaaten ab. Nur ein Prozent der Wähler würden sich hier für die Parteiengruppierung um Jarosław Kaczyński und Theresa May scharen. Im EU-Durchschnitt sind es zehn Prozent. Ebenfalls schwächer ist die pro-europäische, liberale Allianz von Guy Verhofstadt ALDE. Während die ALDE-Parteien europaweit 12 Prozent erreichen, sind es in „Ureuropa“ nur acht Prozent.

Die Parteien der EPP-Fraktion um Jean-Claude Juncker erhalten mit 25 Prozent (EU-Durchschnitt) bzw. 26 Prozent (Gründerstaaten) in beiden Bezugsräumen etwa gleiche Werte. Ähnlich ergeht es der sozialdemokratischen S&D-Fraktion (EU28: 24%, EU6: 22%), der grünen G/EFA (EU28: 4%, EU6: 6%) und den Linksparteien (EU28: 8%, EU6: 8%).

Alle Umfragen auch auf EuropeElects

Europa wächst mehr und mehr zusammen. Politische Phänomene wie Arbeitslosigkeit oder die Reaktion der Bürger auf ein Atomunglück wie das von Fukushima treten vermehrt in mehreren EU-Ländern zeitgleich auf. Dies wirkt sich auch auf das Wahlverhalten aus - es entsteht ein gesamteuropäisches Wahlverhalten. Deshalb macht es Sinn ein politisches Stimmungsbarometer für die EU28 zu entwerfen. Die Resultate basieren auf den Ergebnissen nationaler repräsentativer Umfragen aller EU28-Staaten. Stichtag ist jeweils der 30. Tag eines Monats. Statistisch weist dies natürlich deshalb Mängel auf, weil nicht immer Umfragen zur Europawahl, sondern nur zu nationalen Wahlen erhältlich sind. Hintergründe zu den verwendeten Umfragen erfahren Sie auf Anfrage unter tschmink(at)students.uni-mainz.de. Details zu anderen regelmäßig erhobenen Analysen unter europeanmeter.wordpress.com.

Fraktionszuordnung: Parteien, die bereits im Europäischen Parlament vertreten sind, werden jeweils ihrer derzeitigen Fraktion zugerechnet. Nationale Parteien, die derzeit nicht im Europäischen Parlament vertreten sind, aber einer europäischen Partei angehören werden der Fraktion der entsprechenden europäischen Partei zugeordnet. Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind und bei denen die Zuordnung zu einer bestimmten Fraktion unklar ist, werden als „andere“ eingeordnet. Für die Bildung einer Fraktion sind mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Mitgliedstaaten notwendig.

Datengrundlage: Soweit verfügbar, wurde bei der Sitzberechnung für jedes Land jeweils die jüngste Umfrage oder die jüngste Sitzverteilungsprognose zu den Wahlabsichten für das Europäische Parlament herangezogen. In Ländern, wo es keine spezifischen Europawahlumfragen gibt oder wo die letzte solche Umfrage mehr als drei Wochen zurückliegt, wurde stattdessen die jüngste verfügbare Umfrage für die Wahl zum nationalen Parlament verwendet. Liegen in Mitgliedsstaaten keine seit der letzten Parlamentswahl vor, wird das Wahlergebnis der jeweiligen Wahl herangezogen. Die Sitzverteilung wird entsprechend des jeweiligen Europawahlrechts ermittelt. In Frankreich wird die aktuellste Umfrage zu den Präsidentschaftswahlen herangezogen, wenn keine andere Umfrage zu Parlaments- oder Europawahlen innerhalb der letzten drei Wochen veröffentlicht wurde.

Europa wächst mehr und mehr zusammen. Politische Phänomene wie Arbeitslosigkeit oder die Reaktion der Bürger auf ein Atomunglück wie das von Fukushima treten vermehrt in mehreren EU-Ländern zeitgleich auf. Dies wirkt sich auch auf das Wahlverhalten aus - es entsteht ein gesamteuropäisches Wahlverhalten. Deshalb macht es Sinn ein politisches Stimmungsbarometer für die EU28 zu entwerfen. Die Resultate basieren auf den Ergebnissen nationaler repräsentativer Umfragen aller EU28-Staaten. Stichtag ist jeweils der 30. Tag eines Monats. Statistisch weist dies natürlich deshalb Mängel auf, weil nicht immer Umfragen zur Europawahl, sondern nur zu nationalen Wahlen erhältlich sind. Hintergründe zu den verwendeten Umfragen erfahren Sie auf Anfrage unter tobias.schminke chez treffpunkteuropa.de.

Ihr Kommentar
  • Am 1. September 2016 um 14:57, von  Michael Vogtmann Als Antwort Umfrage: Rechtspopulisten in EU-Gründerstaaten stark

    Interessante Analyse, aber ich würde hier gern eine alternative Interpretation anbieten. Ich werde „Ureuropa“ (seltsamer Terminus) hier verkürzt EWG6 nennen und die anderen EU22. Es ist korrekt, dass die, die wir gemeinhin als „Rechtspopulisten“ einstufen in der EWG6 stärkere Wahlergebnisse einfahren als in der EU22. Allerdings hat das auch viel mit Schubladendenken zu tun und wenig mit der Stimmung in der Bevölkerung und den politischen Positionen, die die Parteien vertreten. Wir haben in der EWG6 eine stärkere gesellschaftliche Polarisierung zwischen links-liberaler weltoffener Lebenseinstellung und rechtslastiger Xenophobie als in den Staaten der EU22.

    Es wird erwähnt, dass die nationalkonservative EKR-Fraktion in der EU22 mehr Stimmen bekommt als in der EWG6. Dies liegt eben daran, dass die EKR sich hauptsächlich aus britischen Konservativen und PiS in Polen zusammensetzt, beides sehr große EU22 Länder! Inhaltlich konkurrieren aber EKR und „Populisten“ um die gleichen xenophoben nationalistischen Wählerschichten. Nicht zuletzt wird hier mit Islamphobie und Anti-Einwanderung um Wähler geworben. Trotzdem stecken wir sie als Mainstreamparteien nicht in die Schublade: „Populisten“ und somit fällt diese Realität aus der Betrachtung raus.

    Das gilt übrigens auch für manche Eurokonservative von der EVP (CDU/CSU/ÖVP...), wie Viktor Orban in Ungarn, Sarkozy bei LesRepublicains und Seehofer bei der CSU. Wenn man also sieht, dass Orban in Ungarn und Szydlo in Polen mit sehr nationalistischer Politik und Rethorik, die inhaltlich in der EWG6 eigentlich eher an „Populisten“ erinnert, ist es klar, dass die eigentlichen „Populisten“ nicht Fuß fassen können in diesen Ländern der EU22, weil die etablierten (über 50% !) ihre Themen besetzen:

    „Böse Moslems, böse Eurokraten“.

    Auch Cameron, der die EKR eigentlich erst gründete als er die Torries von der EVP abkoppelte, übernahm viele Inhalte von Farages UKIP, mit dem Brexit-Ergebnis, dass letztlich seine Karriere beendete. Es ist traurig, dass nun Sarkozy nichts daraus gelernt hat und nun versucht Le Pen die Themen im Wahlkampf zu klauen. Man kann nur hoffen, dass auch Sarkozy scheitert und Allain Juppé das Rennen bei den französischen Konservativen macht.

  • Am 1. September 2016 um 15:00, von  Michael Vogtmann Als Antwort Umfrage: Rechtspopulisten in EU-Gründerstaaten stark

    Auch bei den Liberalen muss man diversifizieren: Es gibt zwei signifikante Aspekte des Liberalismus: reden wir von gesellschaftlich oder wirtschaftlich liberal? Es gibt eine klare Tendenz bei Gesellschaftsliberalen oder Linksliberalen eine offene multikulturelle Individualgesellschaft anzustreben. Der wirtschaftsliberale Flügel hat kein Problem mit Multikulturalismus aber auch nicht immer zwangsläufig Berührungsängste mit dem Nationalismus. Guy Verhofstadt ist der Supereuroföderalist schlechthin, auch die Neos in Österreich sind an vorderster Front für Europa am Start, aber z.B. die deutsche FDP? Oder die niederländische VVD um Mark Rutte? Ich weiß nicht ob ich mich so sehr auf deren Europaliebe verlassen würde... Jedenfalls greift es zu kurz die Liberalen (wegen Verhofstadt) als die föderalistischste pro-Europapartei schlechthin darzustellen als natürliche Gegner der „Populisten“, es ist nicht illegitim, aber ich sehe hier die Grünen als passendere Anti-These zu den Rechtspopulisten und Nationalkonservativen. Nicht zuletzt verdammen diese ja auch typisch grüne Themen, wie Veganismus, Radwege (ich erinnere an die Kommentare eine PiS-Politikers) und Multikulturalismus... Die Grünen sind in der EWG6 stärker als in der EU22. Was meine These von der stärkeren gesellschaftlichen Polarisierung in der EWG6 unterstützt.

    Also letztlich hätte man in der EWG6 tatsächlich eher politische Mehrheiten für eine stärkere europäische Integration, die dann aber einer nicht unwesentlichen nationalistischen Minderheit nicht gefällt. In PiS-Polen und FIDEZ-Ungarn sehe ich diese potentiellen Mehrheiten nicht. Aber Wahlergebnisse und Stimmungen können sich ändern, die Frage ist nur wie viel Zeit wir noch haben, um auf Nachzügler zu warten. Meine Meinung: Keine!

  • Am 2. September 2016 um 19:47, von  mister-ede Als Antwort Umfrage: Rechtspopulisten in EU-Gründerstaaten stark

    Ich bin da bei Michael Vogtmann. Orbán ist z.B. in der EVP organisiert ist, was aber für seine Politik keinen Unterschied macht. In meinem Blog hatte ich das nach der Europawahl deshalb auch mal aufgelistet. Ich kam auf 161 Europaparlamentarier (27,8%) national-populistischer oder in der EKR organisierter Parteien - wobei ich eben z.B. die Fidesz dazu zähle, auch wenn sie sich selbst anders verortet.

    http://www.mister-ede.de/politik/europawahlergebnis-2014/2592

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