In Italien zum Beispiel hat die 5-Sterne-Bewegung erfolglos versucht, ein Referendum in die Wege zu leiten, um aus der Währungsunion auszutreten. Und das, obwohl die Verfassung des Landes festlegt, dass Volksabstimmungen weder Außen- noch Fiskalpolitk betreffen dürfen. Das Referendum in Griechenland am 5. Juli war ein anderer Höhepunkt des schwierigen Jahres 2015.
Was genau ist ein Referendum?
Ein Referendum ist ein in manchen Fällen sinnvolles Instrument direkter Demokratie. Oftmals wurden Volksabstimmungen durchgeführt, um die Regierungspolitik zu legitimieren oder um unerwünschte Vorschläge abzuwiegeln. Nicht alle europäischen Länder erlauben Volksabstimmungen und viele setzen strikte Standards für ihre Umsetzung und Wirksamkeit. Manchmal haben Volksabstimmungen ein widersprüchliches Ergebnis: Dies ist der Fall, wenn das Referendum, obwohl als das „demokratischste“ Instrument des politischen Lebens angesehen, den Alltag von Bürgern betrifft, die selbst nicht wählen dürfen. Das Schweizer Referendum über die EU-Einwanderungspolitik 2014 sowie das anstehende niederländische Referendum über das EU-Ukraine Assoziierungsabkommen sind solche Fälle. Sie könnten als Veto für Abkommen auf EU-Ebene verwendet werden, selbst wenn andere Länder dieses bereits unterzeichnet haben.
Der Nachteil einer fehlenden einheitlichen EU-Politik macht sich besonders bemerkbar, wenn die direkte Demokratie wie im Falle des griechischen Referendums im Sommer 2015 ins Spiel kommt. Die griechischen Bürger stimmten über etwas ab, das nicht nur ihre eigene Fiskalpolitik beeinflusste, sondern die Fiskalpolitik der anderen Länder der Eurozone. Viele Politiker verlangten manchmal populistisch nach Volksabstimmungen in ihren eigenen Ländern, um über die Rettung Griechenlands oder über den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone abzustimmen. Kommentatoren und Bürger fanden es hingegen unverschämt, dass Tsipras das Referendum anwendete, um den demokratischen Entscheidungsprozess anderer Euro-Partner und der europäischen Institutionen insgesamt zu entmachten.
Ein ähnliches Problem bahnt sich nun in Ungarn an. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban will das Volk über die verbindlichen EU-Quoten für die Flüchtlingsaufnahme abstimmen lassen, die im September 2015 im EU-Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit beschlossen wurde.
Das Subsidiaritäts-Prinzip anwenden
Dabei sind die Union und die Eurozone mit gemeinsamen Problemen konfrontiert, die auf einer einheitlichen Ebene gelöst werden sollten. Um dem Vorwurf der Einschränkung von Freiheit und Bürgerrechten zu begegnen, brauchen wir einheitliche Rechtsvorschriften über Volksabstimmungen, die auf einem einzigen Grundsatz beruhen sollten: Die EU oder den Euroraum betreffende Angelegenheiten sollten durch Volksabstimmungen in der gesamten EU oder der Eurozone beschlossen werden. Kein Land sollte alleine befugt sein, über Angelegenheiten, die andere Länder betreffen, zu entscheiden. Stattdessen müssten andere Länder auf europäischer Ebene mit einbezogen werden. Jedes Land sollte dabei das Recht behalten, selber über seine Gesetzgebung hinsichtlich seiner eigenen nationalen Gesetze zu entscheiden. Letztlich müssten die Mitgliedsstaaten dazu das Referendum auf EU-Ebene in den Verträgen verankern und Kriterien dieses Verfahren festlegen.
Wenn die EU-Bürger mehr direkten Einfluss haben möchten, sollte dies nach dem Prinzip der Subsidiarität erfolgen. Von einer föderalistischen Perspektive aus betrachtet wäre genau das die bevorzugte Lösung. 28 Volksabstimmungen über die gleiche Frage auf einer nationalen Ebene würden das Problem nicht lösen, wenn das Veto auf nationaler Ebene bestehen und das institutionelle System unverändert bliebe.
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