Fährt man in den Harz, kommt man an den toten Fichten nicht vorbei. Riesige Kahlflächen und trockenes Holz prägen die Landschaft. Dabei ist der Wald ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel. Wälder speichern enorme Mengen CO₂. Schätzungen der Helmholtz-Klima-Initiative zufolge binden die Waldflächen in Deutschland rund 4,3 Milliarden Tonnen CO₂.
In den letzten Jahren ist das Ökosystem Wald durch den Klimawandel allerdings immer mehr unter Stress geraten. Besonders stark betroffen ist der Fichtenwald im Harz. Seit dem Hitzerekordjahr 2018 erleben wir in Deutschland laut dem Dürremonitor fast jeden Sommer anhaltende Trockenperioden. Inzwischen hat sich die Waldfläche im Harz drastisch reduziert.
Oft wird der Borkenkäfer als Übeltäter genannt. Die kleinen Tiere fressen sich durch die Rinde des Baumes und vermehren sich exponentiell. Ein schon geschwächter Wald hat gegen den Schädlingsbefall keine Chance. Normalerweise ist der Borkenkäfer jedoch ein natürlicher Regulant des Waldes, erklärt Roland Pietsch. Er ist der Leiter des Nationalparks Harz. In einem gesunden Wald befällt der Borkenkäfer nur einzelne kranke oder alte Bäume und sorgt so auf natürlichem Wege für die Walderneuerung.
Im Harz ist der Fichtenwald durch Hitze und Wassermangel inzwischen so geschwächt, dass die Bäume keinen natürlichen Abwehrmechanismus mehr haben, erklärt Pietsch. „Das Harz ist der Schutzmechanismus gegen die Borkenkäfer, die sich einbohren und dann normalerweise von dem Harz umschlossen werden und absterben. Wenn es aber kein Wasser gibt, gibt es auch kein Harz.“ Der starke Borkenkäferbefall ist somit in erster Linie ein weiteres Symptom der Klimakrise. Der Klimawandel hat zahlreiche Nebenwirkungen, die sich in einem verstärkten Schädlingsbefall oder auch in immer größeren Schäden durch Stürme widerspiegeln.
Ein Fichtenwald am falschen Standort
Künstlich angelegte Wälder, wie die Fichtenmonokulturen im Harz, sind besonders anfällig und wenig klimaresilient. Denn solche Monokulturen würden natürlich nicht vorkommen. Ohne menschliches Einwirken gäbe es also keinen Fichtenwald im Harz. Fichten sind Bergbäume und fühlen sich erst ab einer Höhe von 700 bis 800 Metern wohl. Der Grund für die großen Fichtenplantagen war in erster Linie ein wirtschaftlicher. Nach dem Zweiten Weltkrieg brauchte man viel Holz, um die Energieversorgung zu sichern und die Reparationszahlungen an die Alliierten zu leisten. Fichten wachsen schnell und versprachen eine rasche Holzernte. So entstanden die riesigen Monokulturen. In Regionen wie dem Harz sind die Fichten aber nicht standortgerecht. Das hat seinen Preis: Inzwischen ist die Fichte zu einer der bedrohtesten Baumarten in Deutschland geworden.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussehen mag, inzwischen befinde sich der Harzer Wald in einer Phase der Stabilisierung, sagt Roland Pietsch. Denn auf den Kahlflächen könne nun wieder der natürliche Laub- und Mischwald entstehen, den es einst auf der Fläche gab. Den Anfang machen Pionierbäume wie Birken, Weiden oder Pappeln. Sie haben leichte Samen, die sich schnell durch die Luft verbreiten und die kleinen Bäume wachsen rasch heran. Zusätzlich nimmt der Nationalpark auch Initialpflanzungen vor, um vor allem die heimische Buche wieder anzusiedeln, die sich auf natürlichem Wege nur sehr langsam verbreitet.
Wald der Zukunft
In Zukunft könnten vermehrt nicht heimische Bäume und Arten aus trockeneren Klimazonen in Deutschland zum Einsatz kommen, meint Roland Pietsch. Ein Beispiel ist die Douglasie: Die Kiefernart kommt ursprünglich aus Nordamerika und wurde inzwischen auch in Europa eingebracht, da sie sehr schnell wächst und relativ robust ist. Den Einsatz von nicht heimischen Baumarten hält Pietsch allerdings nur begrenzt für sinnvoll, da solche künstlichen Pflanzungen auch schiefgehen können - der Harz ist hier das beste Beispiel. „Ich würde immer sagen, es ist besser auf die einheimischen Baumarten zu setzen“, betont Pietsch. "Wir haben ja Baumarten in Deutschland, die durchaus auch an trockeneren Standorten wachsen können.“
Wie wird also der Wald im Harz aussehen, wenn man in fünf oder zehn Jahren dort wandern geht? Man wird einen Mischwald mit vielen unterschiedlichen Baumarten sehen, sagt Pietsch. Zunächst werden sich Weiden und Zitterpappeln, Sträucher und Gräser ausbreiten. Es wird eine viel größere Vielfalt an Baum- und Pflanzenarten wachsen. „Wir werden ein sehr strukturreiches Bild haben, überhaupt nicht vergleichbar mit den Monokulturen, die wir vorher hatten.“ Auf geschützten Waldflächen wie im Nationalpark Harz, wo man die Natur einfach machen lässt, wird also wieder Urwald entstehen können. „Jetzt haben wir eine Pionierstadium und das wird irgendwann wieder zu einem sekundären Urwald.“
Dieser sekundäre Urwald mag sich aber unterscheiden von dem Wald, den es einst vor den künstlichen Fichtenmonokulturen gab, denn auch das Klima ändert sich. So könne sich auch der Waldcharakter in Zukunft ändern, meint Pietsch. Die Bäume wachsen möglicherweise nicht mehr so hoch und stehen in größeren Abständen zueinander, weil sie um natürliche Ressourcen wie das Wasser konkurrieren müssen. Solange sich in Deutschland aber kein Wüstenklima einstellt, werde es immer Wald geben, da ist Pietsch zuversichtlich. Denn Wälder und Bäume seien sehr eroberungsfreudig. Nur wird sich das Ökosystem in Zukunft an neue klimatische Gegebenheiten anpassen müssen.
Bis man im Harz wieder durch grüne Landschaften wandern kann, muss man aber gar nicht mehr lange warten. „Allein in den zwei Jahren, die ich jetzt im Nationalpark arbeite hat es so eine sprunghafte, wahnsinnige Entwicklung gegeben“, sagt Pietsch. „Es dauert Jahrhunderte bis wir hier wieder richtig tiefen Wald haben, aber eine Landschaft die komplett grün ist, haben wir in wenigen Jahren.“
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