Die Konferenz zur Zukunft Europas

Was von der Zukunftskonferenz in Deutschland erwartet wird

, von  Lara Weber

Was von der Zukunftskonferenz in Deutschland erwartet wird
Auf ihrer Website beschreibt die Europäische Kommission die Konferenz zur Zukunft Europas als „von Bürgerinnen und Bürgern getragene Debatten und Diskussionsreihen, bei denen die Menschen aus ganz Europa ihre Ideen austauschen und unsere gemeinsame Zukunft mitgestalten können." Foto: Unsplash / Oliver Cole / Unsplash Lizenz

Am 9. Mai startet die lange angekündigte Konferenz zur Zukunft Europas, die eine bislang beispiellose Form der europäischen Bürger*innenbeteiligung einleitet. Alles, was ihr zur Konferenz wissen müsst, findet ihr in unserem FAQ.

Die wichtigste Frage zuerst: Was ist eigentlich die Konferenz zur Zukunft Europas?

Auf ihrer Website beschreibt die Europäische Kommission die Konferenz zur Zukunft Europas als „von Bürgerinnen und Bürgern getragene Debatten und Diskussionsreihen, bei denen die Menschen aus ganz Europa ihre Ideen austauschen und unsere gemeinsame Zukunft mitgestalten können.“

Dieser Bürger*innendialog soll laut der gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission aus einer Vielzahl von kleineren europaweiten Veranstaltungen und europäischen Bürger*innenforen bestehen. Offizieller Startschuss ist der Europatag am 9.Mai.

Alle 6 Monate wird zudem eine Plenarversammlung zusammentreten, auf der die Vorschläge aus den Bürger*innenforen thematisch sortiert und ergebnisoffen diskutiert werden. Auch werden auf der Plenarversammlung Vertreter*innen von Parlament, Rat und Kommission dabei sein. Nationale Parlamente, der europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Ausschuss der Regionen, gesellschaftliche Akteur*innen und Bürger*innen erhalten hier ebenfalls einen Platz am Tisch. Ein Exekutivausschuss aus Vertreter*innen der federführenden Institutionen (Parlament, Rat und Kommission) soll das Projekt leiten und hat bereits zweimal getagt. Er soll die Ergebnisse ausarbeiten und veröffentlichen.

Am Ende der Konferenz im Frühjahr 2022, werden die Konferenzgremien, also Exekutivausschuss und Plenarversammlung, einen Bericht an den Vorsitz der Konferenz verfassen. Der Vorsitz besteht aus dem Parlamentspräsidenten David Sassoli, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und aktuell dem portugiesischen Präsidenten António Costa für den Rat der EU. Die drei Institutionen sollen dann auf Grundlage des Berichts im Rahmen ihrer Kompetenzen und der Europäischen Verträge tätig werden und die Empfehlungen in ihre Arbeit aufnehmen und umsetzen.

Wie können Bürger*innen sich an der Konferenz beteiligen?

Vor allem können Bürger*innen sich über die bereits erwähnten Veranstaltungen und Bürger*innenforen beteiligen. Am 19. April ist auch eine digitale Plattform zur Konferenz online gegangen. Hier können Bürger*innen ihre Meinung äußern und Veranstaltungen initiieren. Auf der Plattform wird auch allgemein über die Konferenz informiert. So wird beispielsweise ein Veranstaltungsplan zu finden sein, in dem interessierte Bürger*innen verschiedene Veranstaltungen suchen und finden können. Mit einem besonderen Feedback-Mechanismus sollen die wichtigsten Beiträge gesammelt und analysiert werden, sodass diese in die Bürger*innenforen und die Plenarversammlung einfließen können. Die Kommission bezeichnet die Plattform „als zentrale Drehscheibe der Konferenz […], ein Ort, an dem alle Beiträge zur Konferenz zusammengeführt und geteilt werden, einschließlich dezentraler Veranstaltungen, der europäischen Bürgerforen und der Plenarsitzungen der Konferenz.“

Wie sind politische und gesellschaftliche Akteur*innen in Deutschland an der Konferenz beteiligt? Dies wird sich im Laufe der Konferenz und durch die Möglichkeit, auf der Online-Plattform eigene Veranstaltungen einzutragen, noch zeigen. Hier sollen aber schon mal einige Beispiele genannt werden.

1. Die Europäische Akademie Berlin organsiert eine Initiative zur Konferenz zur Zukunft Europas, bei der alle Berliner Akteur*innen mit Europa-Fokus ins Gespräch kommen sollen.

2. Am 1. Mai nehmen in 48 deutschen Städten Europe Direct-Zentren ihre Arbeit auf, berichtet die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Die Zentren sollen eine Möglichkeit zu Diskussionen bieten und allgemein über die EU informieren. „Dies eröffnet, ganz aktuell, überall in Deutschland auch viele zusätzliche Möglichkeiten, um aktiv an der Konferenz zur Zukunft Europas teilzunehmen.“, heißt es auf der Website.

3. Die Stadt München und das Land Schleswig- Holstein melden ebenfalls Planungen für Veranstaltungen. Das Niedersächsische Europaministerium erklärte auf Anfrage, es sei bereits jetzt geplant, dass im Rahmen des Regionsentdeckertages am 5. September und des Tages der Niedersachsen vom 8. bis 10. Oktober Bürger*innen zur Zukunft Europas diskutieren und dies an die Kommission weitergeleitet wird. Eine weitere Veranstaltung soll im Rahmen der „Europa Aktuell“-Reihe des Ministeriums stattfinden. Geprüft werden auch weitere Formate in Niedersachsens Landesvertretungen in Brüssel, Berlin oder auf regionaler Ebene. Die Konrad-Adenauer-Stiftung verfasste eine Stellungnahme und kündigt an, die Konferenz aktiv begleiten zu wollen. Andere Stiftungen wie die Stiftung Wissenschaft und Politik, die Hanns-Seidel-Stiftung oder die Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichten Positionspapiere.

4. Eine Stellungnahme veröffentlichten auch die Präsident*innen der deutschen und österreichischen Landesparlamente und des Südtiroler Landtags. Sie begrüßen die Ausrichtung der Konferenz zur Zukunft Europas und wollen die EU ebenfalls mitgestalten. Sie sehen sich hier als „Vermittler europäischer Politik für Bürgerinnen und Bürger in den Regionen. Die Regionalparlamente wollen im Rahmen der Konferenz den „ergebnisoffenen Prozess zu möglichen Vertragsänderungen [der europäischen Verträge]“ begleiten.

5. Die Europa-Union Deutschland startet am 3. Mai gemeinsam mit der dbb mit einem Webtalk, der den Titel „Konferenz über die Zukunft Europas“ – Wie machen wir die EU bürgernah, effizient und handlungsfähig?“ trägt.

6. Bei der Europäischen Bewegung ist für den 6. Mai ein Online-Briefing mit den Vertreter*innen der EU-Institutionen geplant, bei dem auch die Positionierung der Europäischen Bewegung zur Konferenz im Mittelpunkt stehen soll.

Welche Erwartungen, Hoffnungen und Ideen gibt es bereits für die Konferenz? Die Konferenz weckt die verschiedensten Erwartungen und Hoffnungen. Es werden auch bereits munter Ideen diskutiert. In der bereits erwähnten Erklärung der Präsident*innen der deutschen und österreichischen Landesparlamente und des Südtiroler Landtags fordern sie eine stärkere Ausrichtung der EU am Subsidiaritätsprinzip– Aufgaben sollen demnach möglichst auf der niedrigsten Ebene gelöst - und betonen auch die Bedeutung von offenen Binnengrenzen innerhalb der EU. Die Landtagspräsident*innen schlagen auch bereits eine Änderung der europäischen Verträge vor. So könnte ihrer Vorstellung zufolge die Frist für das Subsidiaritätskontrollverfahren, bei dem nationale Parlamente innerhalb von acht Wochen Stellungnahmen zu EU-Gesetzesvorschlägen abgeben können, auf 12 Wochen verlängert werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich bei einer Podiumsdiskussion der Europäischen Volkspartei (EVP) dafür aus, bei der Konferenz pragmatisch lebensnahe Fragen zu diskutieren und die Stimmen der europäischen Bürger*innen zu hören. Als Beispiel nannte sie im Hinblick auf Lehren aus der Corona-Pandemie europäische Gesundheitspolitik als Thema.

Manfred Weber, EVP-Fraktionsvorsitzender im Europaparlament, erklärte gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Wir müssen vor der Europawahl 2024 wieder Vertrauen aufbauen, damit die Wählerinnen und Wähler wissen, welchen Einfluss ihre Stimme hat.“ In einem dpa-Interview forderte der CSU-Politiker auch die Schaffung eines europäischen Präsidentenamtes und mehr außenpolitische Handlungsfähigkeit der EU.

Europaministerin Birgit Honé (SPD) aus Niedersachsen ließ verlauten, die Konferenz sei „eine große Chance zur rechten Zeit, um die Europäische Union demokratischer zu gestalten und gemeinsam mit unseren Bürger*innen weiterzuentwickeln. Allerdings wird sie nur dann Erfolg haben, wenn die Bürger*innen wirklich gehört werden und ihre Ideen und Vorschläge tatsächlich aufgegriffen werden.“ Honé wird auch im Ausschuss der Regionen am 7. Mai zur Zukunftskonferenz eine Rede halten.

Der Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen schlägt vor, im Rahmen der Konferenz für Steuerfragen das Einstimmigkeitsprinzip – alle Mitgliedsstaaten müssen zustimmen - im Rat durch das Mehrheitsprinzip und Parlamentsbeteiligung zu ersetzen. Sein Grünen-Kollege Daniel Freund sagte im Spiegel, er hoffe, dass „es genug öffentlichen Druck geben wird, um Reformen anzustoßen.“ Auch Nicola Beer (FPD), Vizepräsidentin im Europaparlament, spricht sich laut Spiegel für eine grundlegende Reform der europäischen Verträge aus.

Der Generalsekretär der Europäischen Bewegung Deutschland, Bernd Hüttemann, sprach sich für eine Einbeziehung von EU-Beitrittskandidaten bei der Konferenz aus. „Es geht um Europa, nicht nur die EU. Die Zukunft der EU kann nicht ohne Einbindung einer gesamteuropäischen Perspektive diskutiert werden“, machte er deutlich.

Die JEF Deutschland fordert in einem Beschluss ihres Bundesausschusses vom 20. März 2021, dass bei der Konferenz grundlegend über die Zukunft der Europäischen Union gesprochen werden muss. Dies sei im Hinblick auf vielfältige Herausforderungen wie antidemokratische Tendenzen, geopolitische Bedrohungen, Asyl- und Migrationspolitik, Digitalisierung und der Klimakrise zwingend notwendig, um den europäischen Zusammenhalt nicht zerbrechen zu lassen.

Der Beschluss spricht sich weiterhin dafür aus, die Ergebnisse der Zukunftskonferenz in einen Europäischen Konvent – ähnlich des Verfassungskonvents aus 2003 – mitzunehmen. Der Konvent soll nach Vorstellung der JEF die Vorschläge der Zukunftskonferenz in konkrete Maßnahmen umsetzen und sogar eine Europäische Verfassung entwickeln.

Ist die Umsetzung der Ergebnisse denn realistisch? Expert*innen und Journalist*innen sehen das kritisch. So beschreibt die ZDF-Journalistin Anne Gellinek auf Twitter, die Konferenz sei wegen Streitigkeiten über die Konferenzleitung und der früheren Diskussionen über das europäische Spitzenkandidat*innen-Prinzip umstritten.

In einem Paper der Stiftung Wissenschaft und Politik beschreiben die EU-Expert*innen Nicolai von Ondarza und Minna Ålander, dass für eine erfolgreiche Konferenz ergebnisoffen diskutiert werden müsse und nationale Regierungen und Parlamente mitziehen müssten. Des Weiteren bedürfe es am Ende Konferenz eines „stimmigen Gesamtpakets“ der Reformen.

Auch der Generalsekretär der Europa-Union Deutschland, Christian Moos, betonte in einem Statement den Einfluss der Abgeordneten aus Europaparlament und nationalen Parlamenten, die an der Plenarversammlung teilnehmen werden. Es bedürfe des „Sinns für Verantwortung und eines Blicks, der über kleinste persönliche Karrierekaros und nationales Kleinklein hinausreicht.“ Die JEF Deutschland sieht vor allem kritisch, dass trotz der Verschiebung des Starts der Konferenz wegen der Corona-Pandemie am Ende der Konferenz bereits 2022 festgehalten werde, begrüßt aber die Aufnahme eines Feedbackmechanismus. Dieser könne gut umgesetzt ein wirkungsvolles Instrument sein, um den tatsächlichen Einfluss von Vorschlägen auf der Online-Plattform auf die Konferenz zu gewährleisten.

Wie wird in den deutschen Medien über die Konferenz berichtet? Die Presse berichtet sehr wenig zur Konferenz. Man findet vor allem Meldungen zum Start der Online-Plattform. Gerade in den großen Medien sind nur vereinzelte Artikel zu finden, in denen vor allem Europaparlamentarier*innen zu Wort kommen. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies nach der offiziellen Eröffnungsveranstaltung der Konferenz am 9. Mai ändert. Mit den beginnenden Veranstaltungen bieten sich gegebenenfalls auch mehr Anknüpfungspunkte, um nicht nur die Konferenz im Allgemeinen, sondern auch die dort diskutierten Themen aufzugreifen.

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