Ungerechte Verteilung von Impfstoffen weltweit

WIE MAN EINE PANDEMIE VERLÄNGERT

, von  Jan Olsson, Luisa Kern

WIE MAN EINE PANDEMIE VERLÄNGERT
Die begehrten Corona-Impfstoffe kosten in ärmeren Ländern teilweise deutlich mehr als in Europa und anderen Industrienationen. Foto: Unsplash / Ivan Diaz / Unsplash Lizenz

Vor etwas mehr als einem Jahr wurde der erste Corona-Fall in Afrika gemeldet. Ein Jahr später richtet sich die Hoffnung weltweit auf den rettenden Impfstoff, der uns allen eine Rückkehr in die Normalität ermöglichen soll. Doch der Impfstoff ist ein knappes Gut. Hierzulande muss sich insbesondere die EU-Kommission dafür rechtfertigen, den Impfstart verschleppt zu haben. Zu wenig Impfstoff geordert, zu spät eingekauft, so die Kritik. Bei alldem kommt in dieser Debatte jedoch ein Aspekt oft zu kurz: Im globalen Wettlauf um den Impfstoff drohen insbesondere die Länder leer auszugehen, die nicht annähernd die finanziellen Möglichkeiten der EU haben.

Der weltweite Zugang zum Impfstoff ist extrem ungleich

13 Länder allein haben sich mehr als die Hälfte aller Impfdosen weltweit gesichert. Schaut man auf die bestellten Impfdosen, deckt die EU bereits jetzt ihren Bedarf zu 170 Prozent. Mehr als genug. Gleichzeitig müssen rund zwei Drittel aller Menschen weltweit voraussichtlich noch bis zu drei Jahre auf eine Impfung warten. Das betrifft vor allem die Menschen in Afrika. Nachdem die erste Welle dort vergleichsweise glimpflich verlaufen ist, rollt bereits eine tödlichere zweite Welle über den afrikanischen Kontinent. Eine global koordinierte, faire Verteilungslösung? Fehlanzeige. Und das ist noch nicht alles.

Die begehrten Corona-Impfstoffe kosten in ärmeren Ländern teilweise deutlich mehr als in Europa und anderen Industrienationen. Für eine Dosis des Impfstoffs des Herstellers AstraZeneca muss Südafrika mehr als doppelt so viel zahlen wie die EU, nämlich 5,25 US-Dollar statt 2,16 US-Dollar. Als „Impf-Nationalismus“ prangert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den nationalen Ansturm auf die Impfdosen an. Vor einem „katastrophalen moralischen Versagen“ der Staatengemeinschaft warnt deren Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus. Während in Israel bereits bald die unter 20-Jährigen geimpft werden, stehen in der Afrikanischen Union noch nicht einmal genügend Impfdosen für die Risikogruppen zur Verfügung. Diese fehlende Verteilungsgerechtigkeit ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch vor dem Hintergrund weiterer Mutationen aus medizinischer Sicht fragwürdig. Je länger die Pandemie dauert, desto schwerer lässt sie sich in den Griff kriegen.

Die Hoffnung auf globale Impfgerechtigkeit: COVAX

Sich darauf zu verlassen, dass die reichen Länder den weniger reichen Ländern einfach so rechtzeitig genügend Impfstoffe überlassen, wäre, wie sich leider zeigt, blauäugig. Das hatten viele Expert*innen, die sich im Bereich globale Gesundheit engagieren, schnell erkannt. Daher hatte sich die WHO mit der Impfallianz Gavi sowie dem Impfforschungsverband CEPI zusammengeschlossen, um gemeinsam sicherzustellen, dass alle Menschen auf der Welt Zugang zu einem Corona-Impfstoff bekommen – egal wie reich ihr Land ist.

Für insgesamt 92 Länder, die laut WHO über ein niedriges oder mittleres Einkommen verfügen, will COVAX eine Milliarde Impfdosen zu Verfügung stellen. Zum Vergleich: Genauso viele Impfdosen haben sich die USA allein für sich selbst gesichert. Die EU mit ihren 27 Mitgliedstaaten hat sogar 1,5 Milliarden Impfdosen bestellt. Mit anderen Worten, von den absehbar verfügbaren 5,9 Milliarden Dosen haben sich eine kleine Gruppe wohlhabender Länder, die nur 16 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, 70 Prozent gesichert.. Trotz der Gründung von COVAX kaufen viele Staaten ihre Impfdosen in der Praxis direkt von den Herstellern ein. Die Impfdosen aus dem COVAX-Pool kommen nur langsam und in zu geringer Zahl bei den bedürftigen Ländern an.

Eine globale Pandemie braucht auch eine globale Antwort

Wie die derzeitige Lage wieder einmal deutlich zeigt: Es gibt keine nationalen Lösungen für globale Probleme. Wie könnte also eine Lösung für die Corona-Pandemie aussehen? Das Stichwort lautet Zusammenarbeit und Solidarität. Hier sind vor allem die reichen Staaten gefragt, aber auch die Hersteller der Corona-Impfstoffe. Die Pharmaunternehmen könnten ihren Teil leisten, indem sie Verträge mit COVAX schließen und der Impfstoff-Initiative Impfdosen zu einem niedrigen Preis anbieten.

Auf der anderen Seite stehen die Industrienationen wie die Mitgliedsländer der EU in der Pflicht. Die Bereitschaft der EU, überschüssige Impfdosen COVAX zur Verfügung zu stellen, ist ein gutes erstes Zeichen. Aber da muss noch viel mehr passieren. Sie dürfen damit nicht warten, bis sie ihre gesamte eigene Bevölkerung durchgeimpft haben. Vor allem könnten Industrieländer erstmal aufhören Impfstoffe zu horten und stattdessen über Bedarf georderte Impfdosen durch die internationale Impfstoff-Initiative COVAX verteilen.

Seit vor einem Jahr der erste Corona-Fall in Afrika gemeldet wurde, haben wir viel über die tödlichen Folgen der Infektionskrankheit gelernt. Bislang hat die Pandemie weltweit zwei Millionen Menschen das Leben gekostet. Wir wissen, dass wir das Virus vor dem Hintergrund weiterer Mutationen und der immensen langfristigen Auswirkungen der Pandemie global eindämmen müssen – und zwar so schnell wie möglich. Unsere jetzige globale Herangehensweise sieht so aus, dass derjenige, der am meisten und schnellsten bezahlt, auch den Zugang zum Impfstoff erhält. Das ist das beste Rezept, um die Pandemie so richtig in die Länge zu ziehen. Denn das Virus macht vor keiner nationalen Grenze halt. Wie viele Lockdowns brauchen wir, um zu begreifen, dass der schnellste Weg zum Ende der Pandemie eine gerechte weltweite Verteilung der Impfstoffe ist? Es gibt keine Zeit zu verlieren. Heute entscheidet sich, wie es im Februar 2022 aussehen wird.

Möchtest du auch helfen die Pandemie weltweit zu bekämpfen, statt sie unnötig zu verlängern? Dann unterzeichne jetzt unsere Petition für eine gemeinsame, global ausgerichtete Reaktion auf das Virus.

[ONE-Yhttps://www.one.org/de/] ist eine internationale Bewegung, die sich für das Ende extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten bis 2030 einsetzt. Damit jeder Mensch ein Leben in Würde und voller Chancen führen kann. ONE ist überparteilich und macht Druck auf Regierungen, damit sie mehr tun im Kampf gegen extreme Armut und vermeidbare Krankheiten, insbesondere in Afrika. Zudem unterstützt ONE Bürger*innen dabei, von ihren Regierungen Rechenschaft einzufordern. Mehr Informationen auf www.one.org.

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