Wie viel Europa steckt in der neuen Großen Koalition

, von  Daniel Batel

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Wie viel Europa steckt in der neuen Großen Koalition
Wie viel Europa steckt wirklich im GroKo-Vertrag 2018? Foto: Marco Verch / Flickr / Creative Commons 2.0

Fast ein halbes Jahr lag zwischen der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD und den Bundestagswahlen im September 2017. Gerade in der EU wurde es in den entscheidenden Wochen um den SPD-Mitgliederentscheid unruhig. Immer wieder war zu hören, dass Europa eine stabile Regierung in Deutschland brauche. Doch wie viel Europa steckt eigentlich in dieser „GroKo“?

Schon im Titel des Koalitionsvertrags heißt es: „Ein neuer Aufbruch für Europa“ – ein deutliches Statement der neuen Bundesregierung, sich Europa besonders zu widmen. Das Wort Europa taucht in dem 179 Seiten umfassenden Vertrag ganze 298 Mal auf, mehr als jedes andere Signalwort. Doch das allein macht noch keine gute Europapolitik. Eine Bilanz lässt sich ohnehin erst dann ziehen, wenn die Absichtserklärungen aus den Verhandlungen zu konkreten Maßnahmen geworden sind. Bis dahin können die Qualität der Konzepte und die Chancen für ihre Umsetzung nur eingeschränkt bewertet werden.

Besonders auffällig ist jedoch schon jetzt der Schulterschluss mit Frankreich, der aus der Einsicht erwächst, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit seit jeher Vieles bewirkt hat und ohne sie in Europa nur wenig möglich ist. Und dann wäre da noch der 2017 gewählte Präsident Emmanuel Macron, der nicht weniger als eine Neugründung der EU fordert. Insgesamt soll laut dem Koalitionsvertrag künftig mehr auf europäischer statt auf nationaler Ebene entschieden werden und der alten Schwäche der EU, noch immer zu selten mit einer Stimme zu sprechen, entgegengewirkt werden. Punkte, in denen die EU zu mehr Einigkeit finden muss, sind laut den Koalitionsparteien primär ein konsequentes Vorgehen gegen demokratiefeindliche und rechtsnationale Entwicklungen, die Behebung massiver Jugendarbeitslosigkeit insbesondere in südeuropäischen Ländern, sowie der Umgang mit Geflüchteten im Schengenraum und die Bekämpfung von Fluchtursachen.

Neue Visionen für den Erhalt und die Weiterentwicklung der EU

Die jüngsten Erschütterungen, etwa der Brexit, die Wahl Trumps zum US-Präsidenten oder die Vielzahl an Zuwanderern nach Europa haben die Europäische Union ernsthaft auf die Probe gestellt. Das stellt auch die neue Bundesregierung fest und fordert im Kern vier neue Eckpfeiler in der Europapolitik. In einem „Europa der Demokratie und Solidarität“ soll mehr Transparenz und Bürgernähe praktiziert werden und eine zunehmend selbstverständlich werdende und von Egoismus befreite Solidarität etabliert werden. Ein „Europa der Wettbewerbsfähigkeit und der Investitionen“ soll zudem den Herausforderungen der Globalisierung begegnen und sicherstellen, dass bestehende Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden können. Daran schließt sich die Vorstellung eines „Europas der Chancen und der Gerechtigkeit“ an, die unter anderem eine Verbesserung der Vergleichbarkeit von Bildungsstandards vorsieht. Die vierte Vorstellung der Koalitionspartner umfasst ein „Europa des Friedens und der globalen Verantwortung“ und zielt darauf, dass sowohl die militärische als auch die zivile Handlungsfähigkeit der EU ausgebaut werden soll. Auch der Entwicklungspolitik soll eine größere Aufmerksamkeit zukommen. Konkret heißt es an einer Stelle: „Wir unterstützen einen Marshall-Plan für Afrika, um die Afrikanische Union bei der Umsetzung der Agenda 2063 zu unterstützen.“

Verantwortung für nachfolgende Generationen: Mehr Umweltschutz

Die VerhandlerInnen von Union und SPD betonen im Koalitionsvertrag, EU-Recht in der Umweltpolitik 1:1 umzusetzen. Die Klimaschutzziele werden in einem eigenen Kapitel ausgearbeitet und reichen von einer Verringerung der Schadstoffausstöße über Gewässerschutz und den Schutz biologischer Vielfalt bis zur Atompolitik bzw. dem Ausstieg aus der Kernenergie und der Beseitigung radioaktiver Abfälle. CDU/CSU und SPD bekräftigen zwar ihre Verpflichtung gegenüber den Pariser Klimazielen ab 2020. Allerdings kam bereits während der Sondierungsgespräche heraus, dass die nationalen Klimaziele bis 2020 (eine Reduktion der CO2-Emissionen um 40% im Vergleich zu 1990) als nicht mehr erreichbar angesehen werden.

Viele Aspekte aus dem Koalitionsvertrag hinsichtlich Europa sind altbekannte Forderungen, die schon in der Vergangenheit gestellt aber nicht immer umgesetzt wurden. Gerade in der Europapolitik bleiben die Konzepte häufig abstrakt und werden nur kurz ausgeführt. Neue Entwicklungen in der Außen- und Sicherheitspolitik, wie etwa der Giftgas-Angriff auf einen ehemaligen russischen Spion im britischen Salisbury, machen jedoch deutlich, dass eine sofortige Handlungsfähigkeit auch in europäischen Fragen notwendig ist. Heiko Maas wird bei seinem ersten EU-Außenministertreffen in Brüssel an diesem Montag also wenig Eingewöhnungszeit bleiben, wenn über diesen aktuellen Fall diskutiert wird.

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