Deutsch-dänische Grenze: Drei Fragen an eine Aktivistin aus Flensburg

Wildschweine müssen draußen bleiben

, von  Marie Menke

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Wildschweine müssen draußen bleiben
An der deutsch-dänischen Grenze stehen die ersten Meter eines Stacheldrahtzauns. Fotos: Unsplash / Martin Olsen / Unsplash License und Unsplash / Ibrahim Rifath / Unsplash License. Bildbearbeitung: Anja Meunier.

Die dänische Regierung befürchtet, dass deutsche Wildschweine die dänische Schweinzucht mit der Afrikanischen Schweinepest anstecken könnten. Gegen ihren Plan, dem mit einem Stacheldrahtzaun an der Grenze entgegenzuwirken, protestieren Aktivist*innen auf beiden Seiten. Flensburgerin Hanna erzählt, warum der Zaun das freundschaftliche Verhältnis zwischen den Ländern gefährdet – und zudem sein Ziel verfehlt.

70 Kilometer lang und eineinhalb Meter hoch: An der deutsch-dänischen Grenze ist ein Zaun geplant. Mit ihm möchte die dänische Regierung dafür sorgen, dass die Afrikanische Schweinepest nicht ins Land kommt. Letztere ist zwar für Menschen harmlos, keinesfalls aber für Tiere. In der dänischen Wirtschaft spielt die Schweinezucht eine wichtige Rolle. Da im Nachbarland Deutschland jedoch Wildschweine gejagt werden und daher oftmals nach Dänemark fliehen, befürchtet die Regierung in Kopenhagen, dass die aus Deutschland kommenden Tiere infiziert sein und dänische Zuchtschweine anstecken könnten. Fälle der Afrikanischen Schweinepest gab es bisher vor allem in Osteuropa, vereinzelt auch in Belgien.

Ein Zaun in Europa? Das erinnert an Grenzen aus längst vergangenen Zeiten. Eigentlich gilt das deutsch-dänische Verhältnis als vorbildlich: Die Feindschaft aus zahlreichen Kriegen ist vergessen, auch die Minderheitenpolitik funktioniert grenzüberschreitend. Schlagzeilen machte Dänemark zuletzt mit der Wahl der Sozialdemokratin Mette Frederiksen: Ihre Partei hatte zuvor auf eine strengere Einwanderungspolitik gesetzt – und damit die Sozialdemokratie in die Regierung gebracht, während sie in anderen Ländern Europas beinahe in Vergessenheit gerät. Frederiksen führt eine Minderheitsregierung an: Geht es um Migration, möchte sie mit dem konservativliberalen Lager zusammenarbeiten. In anderen Fragen will sie sich weiter von letzterem abgrenzen.

Der Zaun, der an der deutsch-dänischen Grenze entsteht, soll Öffnungen besitzen, wo Straßen und Schienenwege von einem Land ins andere führen. An zusätzlichen Toren sollen außerdem Fußgänger*innen passieren können. Einige sehen den Zaun dennoch skeptisch: Kritiker*innen merken an, dass Menschen, die die Grenze überqueren, genauso Infektionen ins Land bringen können wie Tiere. Der Zaun sei damit unverhältnismäßig – und sinnfrei. Auch das Ziel der EU, nicht nur die Reisefreiheit zu fördern, sondern auch gegen Landschaftszerschneidung vorzugehen, sehen kritische Stimmen gefährdet.

Hanna ist 31 und kommt aus Flensburg: Sie ist nicht einverstanden mit dem Plan der Regierung. Gemeinsam mit weiteren Aktivist*innen steht sie hinter dem bunten Protest, der sich inzwischen an einigen Stellen des Zauns zeigt: Dort sind gehäkelte Kunstwerke befestigt, bunte Girlanden gespannt und an Fäden hängen Zettel, auf denen „Kein Schwein ist illegal“ steht. Auf Instagram ist all das auf dem Account @wildschweinzaunderliebe zu finden. Hannas Name ist ein Pseudonym, weil sie zwar über die Angelegenheit sprechen, aber sich damit nicht selbst in den Vordergrund stellen möchte. Das Kollektiv, das hinter der Protestaktion steht, möchte, dass keine Galionsfigur entsteht. Hanna hat uns erklärt, warum sie sich gegen den Bau des Zauns wehrt.



Du wohnst in der Nähe der deutsch-dänischen Grenze. Wie bewertest du die Nachbarschaft?

Das deutsch-dänische Grenzland ist nicht umsonst 2018 von der deutschen UNESCO-Kommission zum immateriellen Welterbe erklärt worden: Die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Nord- und Südschleswig sind sehr gut. Das liegt sicher auch an den Familienbanden, die kreuz und quer über die Grenze verlaufen: Hier auf der deutschen Seite hat irgendwie jeder auch dänische Wurzeln und auf der dänischen Seite ist es andersrum.

Es gibt viele Familien und Paare, wo der*die eine Partner*in deutsch und der*die andere dänisch ist. Das ist auch bei mir so: Ich bin Deutsche und mein Freund kommt aus Dänemark. Wir sehen uns aber in erster Linie als Nordlichter oder eben als Flensburger*innen. Gerade hier in Flensburg ist die dänische Minderheit sehr präsent: Es gibt dänische Schulen und Kindergärten, die dänische Bibliothek, den dänischen Bäcker, den alle lieben. Das macht die Stadt und die Region insgesamt sehr tolerant und weltoffen.

Der Wildschweinzaun soll zum Beispiel an Straßenübergängen durchlässig sein: Warum kann er trotzdem das freundschaftliche Verhältnis zwischen den Ländern gefährden?

Dass der Zaun teilweise durchlässig sein wird, macht ihn ja doppelt und dreifach absurd. Wir glauben nicht, dass er auch nur ein einziges Schwein davon abhalten wird, von Deutschland nach Dänemark zu laufen, wenn es das wirklich will. Die Wildschweine werden die Durchgänge finden und sie sich auch merken. Unser Kollektiv findet, der Zaun gefährdet die deutsch-dänischen Nachbarschaftsbeziehungen deshalb, weil er erstens eine optische Grenze etabliert. Eine optische Grenze wirkt sich immer negativ auf das Empfinden von Zusammengehörigkeit aus.

Zweitens finden wir es von der dänischen Regierung - vorsichtig formuliert - etwas unglücklich, in Zeiten wie diesen an europäischen Grenzen Zäune zu errichten. Stattdessen wäre es sinnvoll, mit Deutschland zu sprechen und idealerweise eine gemeinsame Lösung zu finden: zum Beispiel einen mobilen Elektrozaun, der Gruppen infizierter Schweine in Schach hält, wie es ihn schon erfolgreich in Tschechien und ganz neu auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Oder das Geld, das der Wildschweinzaun kostet, in die Entwicklung eines Impfstoffs gegen die Afrikanische Schweinepest zu stecken. Damit wäre allen geholfen und nicht nur der dänischen Schweinefleischlobby.

Drittens scheint der Wildschweinzaun jetzt schon sehr fragwürdiges Gedankengut zu inspirieren: So animierte er den dänischen Politiker Kenneth Kristensen Berth der Dänischen Volkspartei zu der Aussage, dass es ihm zufolge doch schön wäre, wenn der Zaun noch höher wäre und nicht nur Tiere davon abhalten würde, nach Dänemark zu kommen. Das finden wir erschreckend und wollen wir so nicht stehen lassen.

Wie ist die Idee zustande gekommen, den Protest so bunt umzusetzen, wie er heute ist?

Es war uns gefühlt unmöglich, den Wildschweinzaun unkommentiert stehen zu lassen. Die gehäkelten Herzen, Blumen und Bommel, die Sprüche und die Plüschtiere – all das ist unsere Form des friedlichen Protests. Sie beschädigt den Zaun nicht, aber sie ist eben doch ein Statement für Liebe und Freundschaft und dafür, dass die Deutschen und Dän*innen in der Grenzregion sich nicht durch diese wirklich überflüssige und hässliche Symbolpolitik entzweien lassen wollen. Außerdem wollten wir den Protest so gestalten, dass jeder mitmachen kann, der die Idee unterstützt: Dekoration basteln macht Spaß und ist schon im Vorfeld ein Gemeinschaftserlebnis. Also passt alles zusammen.

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