Handelsbeziehungen zwischen Europa und Afrika

Wo europäische Subventionen afrikanischen Landwirt*innen schaden

, von  Alice Katherine Schmidt

Wo europäische Subventionen afrikanischen Landwirt*innen schaden
Markt in Ghana. Die lokalen Landwirt*innen konkurrieren hier mit u.a. europäischen Produkten.
Foto: Pixabay / Kojooooooo / Pixabay Lizenz

Die EU bezeichnet sich gerne als weltweit größte Geberin von Entwicklungsgeldern. Ihre Handelspolitik spricht jedoch eine andere Sprache: In einem Brief an Cecilia Malmström, schwedische Politikerin und EU-Kommissarin für Handel innerhalb der Juncker-Kommission, beschreibt treffpunkteuropa.de-Autorin Alice Katherine Schmidt, warum die EU in ihren Außenhandelsbeziehungen afrikanischen Ländern keinesfalls auf Augenhöhe begegnet.

Liebe Frau Malmström,

ich lese die Beiträge auf den Social Media-Kanälen der Europäischen Kommission: Dabei wird von einer partnerschaftlichen und fairen Handelspolitik auf Augenhöhe zwischen der EU und afrikanischen Ländern geschrieben. Ich forsche seit nun zehn Jahren zu diesem Politikbereich und finde so eine Darstellung gegenüber afrikanischen Ländern nicht fair. Seit zwei Jahren promoviere ich auch zu dem Thema und führe in afrikanischen Ländern Interviews mit lokalen Expert*innen und Farmer*innen. Die Erfahrung, die ich dabei gemacht habe: Meine Interviewpartner*innen können das positiv gezeichnete Bild der EU über die eigene Handelspolitik kaum bestätigen.

Erstens: Die EU hat die Welthandelsorganisation (WTO) geschwächt

Afrikanische Länder standen noch nie im Fokus der weltweiten Handelspolitik. Bis 1995 gab es nicht einmal eine Welthandelsorganisation, sondern nur den losen Handelsvertrag GATT. Letztendlich kann man sagen, dass die WTO auch nur gegründet werden konnte, weil während der Uruguay-Handelsrunde vor der Gründung der WTO ein fauler Deal zwischen den beiden großen Playern in der WTO, den USA und der EU, ausgehandelt wurde: Die Agrarsubventionen sollten demnach nicht mehr pro Produkt (gekoppelte Zahlungen), sondern pro Hektar (entkoppelte Zahlungen) ausgezahlt werden. Die Regularien der WTO erlauben gemäß diesem Deal bis heute entkoppelte Agrarsubventionen. Es gibt jedoch keinen wissenschaftlichen Nachweis darüber, dass solche entkoppelten Agrarsubventionen nicht verzerrend und für Entwicklungsländer schädlich wirken würden.

Umso optimistischer und fröhlicher war die Stimmung zu Beginn der neuen Jahrtausendwende, als in der sogenannten „Doha-Entwicklungsagenda“ in der WTO endlich auch afrikanische Länder in den Fokus genommen werden sollten. Doch schnell wurde klar: Die Europäische Union und die USA sind nicht bereit ihre protektionistische und für Entwicklungsländer schädliche Agrarpolitik aufzugeben. Offiziell ist die Doha-Runde nie beendet worden, doch inoffiziell wird Handelspolitik seitdem von den USA, aber insbesondere auch von der EU hauptsächlich über Freihandelsverträge betrieben.

Die WTO als multilaterale Organisation mit entsprechend demokratischen Strukturen könnte einen wirklich fairen weltweiten Freihandel bewirken. Die EU und leider auch Sie, Frau Malmström, machen sich aber dennoch kaum Mühe die WTO zu stärken. Stattdessen werden auf aggressive Art und Weise immer mehr von einzelnen Ländern und Gemeinschaften ausgehandelte Freihandelsverträge auf den Weg gebracht, die letztlich die Rolle der WTO als Koordinatorin der Handelsbeziehungen ihrer Mitglieder immer weiter untergraben.

Zweitens: Aufgezwungene Freihandelsverträge

Sie wissen, dass die EU als größter Absatzmarkt der Welt bei Verhandlungen zu Freihandelsverträgen eine enorme Macht hat. Kein Land, und insbesondere kein armes Land, kann es sich leisten, keinen Zugang zu diesem Markt zu haben. Das wussten Sie auch im Fall von Kenia. Freihandelsverträge werden in Afrika möglichst mit Wirtschaftsgemeinschaften verhandelt: In Westafrika mit der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und in Ostafrika mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC).

Kenia hat als eins der wenigen Länder der EAC bis 2015 eine Unterschrift zu so einem Abkommen vermieden. Der Freihandelsvertrag der EU sah nämlich vor, dass auf Milchpulver keine Zölle erhoben werden dürften. Da Kenia eine vergleichsweise große Milchviehwirtschaft hat, sah es den eigenen Sektor durch so eine Vereinbarung bedroht. Sie, Frau Malmström, waren 2015 schon Kommissarin für Handelspolitik und haben somit zu verantworten, dass die EU daraufhin Strafzölle von 8,5% bis über 30% auf alle wichtigen Exportgüter Kenias wie Schnittblumen oder Dosenananas in die EU einführte. Daraufhin knickte die kenianische Regierung ein und unterschrieb den Vertrag. Innerhalb von 15 Jahren muss der Markt nun zu 82,6% liberalisiert werden.

Weiter gibt es neben Strafzöllen auch informelle Drohmaßnahmen. Im Fall von Ghana wurde beispielsweise während der Verhandlungen der Entschuldungsprozess mehrmals genannt. Es ist alles andere als eine faire Politik auf Augenhöhe, wenn zunächst die Welthandelsorganisation geschwächt wird und dann durch unlautere Mittel Freihandelsverträge durchgedrückt werden.



Geflügellandwirt in Ghana. Foto: Alice Katherine Schmidt


Drittens: EU-Agrarexporte überfluten afrikanische Märkte

Ein Außenstehender fragt sich vielleicht, weshalb die EU ein Interesse daran hat, dass kein Zoll auf Milchpulver erhoben wird. Der Grund liegt in der massiven Überproduktion durch die Agrarsubventionen, mit denen die EU ihre eigene Landwirtschaft finanziell unterstützt: Knapp 60 Milliarden Euro werden jährlich an europäische Landwirt*innen ausgezahlt, um diese über Wasser zu halten.

Alle Landwirt*innen, mit denen ich in Afrika gesprochen habe, bekommen von ihrer Regierung keinen Cent ausgezahlt. Dennoch müssen sie auf ihrem heimischen Markt in Ghana und Liberia mit europäischen Geflügelstücken konkurrieren. Selbst nigerianische Landwirt*innen müssen das tun, obwohl das Land als einziges in der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft den Freihandelsvertrag nicht unterschrieben hat. Der Schmuggel über die Nachbarländer sorgt nämlich letztendlich dafür, dass die ausländischen subventionierten Produkte auch bei ihnen landen.

Somit haben mir die Geflügelfarmer*innen in den Interviews allesamt vom gleichen Problem erzählt: Ihr Geflügelfleisch schmeckt der Bevölkerung zwar besser, allerdings kann es mit den billigen Preisen des subventionierten Geflügels aus dem Ausland nicht mithalten. Mittlerweile exportiert auch nicht nur die EU subventionierte Geflügelteile nach Afrika, sondern beispielsweise auch Brasilien. So können die Landwirt*innen vor Ort nur zu Feiertagen wie Weihnachten einen größeren Absatzmarkt erwarten. Oftmals sind sie darüber hinaus auch gezwungen, für die eigene Produktion Futter und Ziehküken aus der EU einzukaufen, da auch diese Produkte dank der Subventionen, die ihre Hersteller in den europäischen Herkunftsländern der Produkte durch die EU erhalten, auf den Märkten afrikanischer Länder am günstigsten sind.

Frau Malmström, die Handelspolitik der EU ist einer der wenigen Politikbereiche, in denen die EU weltweit als Einheit auftritt. Leider wird genau in diesem Bereich die dadurch vorhandene Macht gegenüber den armen Ländern der Welt ausgenutzt. Wir brauchen endlich eine gestärkte, transparente und demokratische WTO, einen mutigen Abbau der Agrarsubventionen und einen für afrikanische Länder zugänglichen europäischen Markt ohne Markteintrittsbarrieren durch tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Wenn Sie wirklich an einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit interessiert sind, dann fangen Sie bitte bei sich selbst an und hinterfragen - insbesondere als liberale Politikerin - die eigene protektionistische Agrar- und Handelspolitik.

Mit freundlichem Gruß,

Alice Katherine Schmidt

Ihr Kommentar
  • Am 26. Juni 2020 um 12:47, von  Wolfgang Lieberknecht Als Antwort Wo europäische Subventionen afrikanischen Landwirt*innen schaden

    Haben Sie Interesse, sich mit unserem Verein Initiative Black&White für faire Beziehungen mit Afrika und insbesondere mit Ghana zu engagieren; dort haben wir einen Partnerverein. Beste Grüße, Wolfgang Lieberknecht

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