Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Tillich,
Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Für diese von Ihnen im Bundesrat getätigte Feststellung brauchte es: einen Flüchtlinge bedrängenden Mob in Clausnitz, einen Brandanschlag auf eine geplante Asylbewerber-Unterkunft in Bautzen und ein grelles Schlaglicht der Öffentlichkeit. Erstaunlich ist nicht die Aussage an sich, sondern dass Sie sie erst jetzt aussprechen. Nicht nur, dass die NPD zehn Jahre lang im Dresdner Landtag vertreten war. Vielmehr gibt es seit der Wende etliche rechtsextreme Gruppierungen außerhalb des Parlaments und Aufmärsche in Sachsen. Das manche rassistischen und anti-demokratischen Ansichten großen Widerhall in Teilen der sächsischen Bevölkerung finden, zeigen die seit über einem Jahr jeden Montag vor der Semperoper stattfindenden Pegida-Demonstrationen.
Ihnen offenbart sich kein Sachsen, dass Sie vorher so nicht kannten. Es zeigt sich jetzt nur sehr deutlich, dass Sie und Ihre sächsische CDU die rechtsextremistische Stimmung befeuert haben, indem immer wieder die Gefahr von rechts relativiert und die von links hervorgehoben wurde. Plötzlich wird Ihnen indirekt selbst eine Nähe zum rechten Spektrum nachgesagt.
Ich bin in Sachsen aufgewachsen. Besonders im Westen Deutschlands wurde ich deswegen schon häufig auf die malerischen Landschaften in der Sächsischen Schweiz, das neue Kleinberlin Leipzig und das historische Flair Dresdens angesprochen. Neuerdings sagen mir aber auch Leute, dass sie es verschweigen würden, wenn sie im Freistaat geboren wären.
Es ist ein Riesenschaden für Sachsen entstanden – ohne Frage . Deswegen müssen Sie als Landesvater endlich klare Kante gegen anti-demokratisches und völkisches Gedankengut zeigen. Machen Sie deutlich, dass der Großteil der Sachsen keinen stumpfsinnigen, rechtspopulistischen Parolen hinterherhechelt und Rechtsextreme null Akzeptanz genießen. Stellen Sie heraus, welche Chance Flüchtlinge einem alternden und schrumpfenden Bundesland bieten. Und treten Sie für ein geeintes Europa ein. Gerade der Freistaat profitiert mit seinen Grenzen zu Polen und der Tschechischen Republik wirtschaftlich und kulturell vom Schengener-Abkommen. Erneute Grenzkontrollen sollten Sie deswegen eine klare Absage erteilen.
Am morgigen Montag, wenn Sie eine Regierungserklärung zum Rechtsradikalismus in Sachsen halten, werden Ihnen bundesweit viele Journalisten zuhören. Nutzen Sie diese Aufmerksamkeit für klare Botschaften, nicht für längst überfällige Feststellungen.
Ihr Julius Leichsenring
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