Eurokrise: Zurück in die Wirklichkeit

, von  Patrick Haase

Eurokrise: Zurück in die Wirklichkeit
Lange Zeit ging es mit dem Euro nur bergab. Nun scheint sich die gemeinsame Währung langsam wieder zu erholen. Gelöst ist die Krise damit aber noch lange nicht. Foto: © European Union 2011 PE-EP

Während des Europawahlkampfs schien es so, als habe die Wirtschafts- und Finanzkrise nie stattgefunden: Alle größeren Parteien vermieden das Thema, um die europakritischen Stimmen nicht weiter zu stärken. Tatsächlich hat sich die Lage im Euro-Raum seit 2009 beruhigt. Doch verschwunden ist das Thema angesichts einer wachsenden Kluft zwischen Nehmer- und Geberstaaten von der politischen Agenda nicht. Was das frisch gewählte Europäische Parlament und der zukünftige EU-Kommissionspräsident leisten müssen, ist angesichts der immer stärker werdenden europakritischen Kräfte eine wahre Herkules-Aufgabe.

Weg aus der Euro-Krise

Die gemeinsame europäische Wirtschaftszone hat einen unbeschreiblichen Wandel durch die Ereignisse der letzten Jahre erfahren. Seit dem G20-Treffen in London im Frühjahr 2009 wurde eine Entwicklung in die Wege geleitet, um vor allem die Finanzmärkte fester an die Leine zu nehmen. Deutlich wird das allein durch die verschärfte Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerhinterziehung sowie die stetig steigenden Anforderungen an die Stabilität europäischer Kreditinstitute unter anderem durch neue verpflichtende Eigenkapital-Quoten.

Dass die Stimmung an den Finanzmärkten angesichts dieser Regelungswucht sehr gedämpft wurde, ist kaum verwunderlich. Die Folge: Die Institute zogen ihr Geld verstärkt aus Europa zurück. Doch die Überraschung kam, als diese Flucht eine tiefgreifende Krise der europäischen Währung auslöste. Niemand hatte 2009 das Ausmaß der Verschuldung einiger europäischer Staaten überblickt. Der Abzug ausländischen Kapitals bei einem gleichzeitigen Ansteigen der Zinsen für neue Schulden brachte einen Schneeball ins Rollen, der zahlreiche Staaten an den Rand des Bankrotts brachte. Die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Griechenlands, Giorgios Andrea Papandreou, steht bis heute symbolisch für diesen Effekt: bereits Ende 2009 sah sich Griechenland mit einem Staatsdefizit von knapp 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts konfrontiert. Darüber hinaus drohte ein Schuldenstand im Haushaltsjahr 2010 von 121 Prozent. Es wundert kaum, dass der Mittelmeerstaat das erste Land war, dass unter dem Dach der Troika aus Internationalen Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und Europäischer Kommission Schutz suchte.

Durch die Situation in Griechenland kühlte sich das Geschäftsklima in der gesamten EU weiter ab, sodass der Krise weitere Länder zum Opfer fielen - Spanien, Portugal und Irland sind die Bedeutendsten. Was in Spanien der einbrechende Immobilienmarkt war, war in Portugal der geringe Anteil an innovativer Industrie und in Irland die großen Schattenhaushalte der Banken. Alle diese Länder haben es gemein, dass die Krise ihre gewaltigen Strukturdefizite schonungslos offenlegte und damit die gewaltigen Probleme der gemeinsamen Währung. So stand kaum ein Jahrzehnt nach der Einführung des Euro dieser auch schon kurz vor dem Untergang. Doch die ungewöhnliche Rettungspolitik der Regierungschefs, der EU-Kommission und vor allem der EZB konnte den Crash der Währung bisher verhindern.

Fortschritte keine bloßen Worthülsen

Dass Fortschritte in der Euro-Krise tatsächlich stattfinden, wird immer wieder bescheinigt. Griechenland sei aus dem Schlimmsten heraus, behauptet das Finanzministerium des Mittelmeerstaats. Der derzeitige Finanzminister Ioannis Stournaras gab sich hierzu in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verhalten optimistisch. Er behauptet, dass sein Land in den letzten Monaten eine wichtige Wende geschafft habe: „Wir haben die Haushaltssanierung auf den richtigen Pfad zurückgebracht.“ Stournaras erwartet sogar einen Primärüberschuss im laufenden Jahr 2014. Damit gibt er Anlass, über die Aufwertung der Kreditwürdigkeit der Euro-Krisen-Staaten zu disktuieren.

Natürlich stehen gerade Aussagen von Politikern aus den EU-Krisen-Staaten auf den Prüfstand von den großen Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s, die immer noch entscheidenden Einfluss auf Investoren haben. Doch auch diese ändern mittlerweile ihr Bewertungsverhalten. So sei für die meisten Euro-Staaten trotz der hohen Verschuldung eine positive Entwicklung absehbar.

Bereits im November 2013 hatte Standard & Poor’s beispielsweise Spanien auf ein stabiles, aber dennoch katastrophales BBB- Rating heraufgestuft. Die Flucht aus dem Ramsch-Niveau schaffte das Land Ende Mai 2014 mit der Aufwertung auf BBB, was mit einem wesentlich günstigeren Zinsniveau für Neuverschuldungen einhergeht. Für das laufende Jahr erwartet die Agentur nun einen Anstieg des Bruttonlandprodukts um 0,8 Prozent, 2015 sollen es sogar 1,4 Prozent sein. Hinsichtlich der Arbeitslosenquote, die Ende 2013 in Spanien bei 26,4 Prozent lag, wird ebenfalls eine Besserung erwartet: um zwei Prozent soll sie 2015 sinken.

Auch die Wissenschaft äußert sich mittlerweile optimistischer. So geht es laut der Aussage einer Studie des Centrums für Europäische Politik Freiburg (CEP) in Portugal wieder bergauf: „Es gibt substantielle Beweise, dass die Reformpolitik in Portugal wirkt“, sagte der CEP-Ökonom Lüder Gerken der FAZ. Somit steige die Kreditfähigkeit des Landes seit dem Verlassen des Europäischen Rettungsschirms Mitte Mai wieder deutlich.

Alles heiter Sonnenschein? Von wegen

Der Staatenbund ist seit der Eurokrise tief gespalten in Gläubiger- und Schuldnerländer. Auf der Strecke blieben nicht nur die ehrenden Grundsätze des EU-Stabilitätspakts. Auch von stabilen Preisen im Euroraum kann angesichts einer Teuerungsrate von 0,5 Prozent kaum die Rede sein. Vor allem die Begeisterung für Europa ist durch das in Folge der Krise offensichtlich gewordene Zusammenspiel ausufernder Bürokratie, milliardenschwerer Lobby-Interessen und erheblicher Demokratiedefizite auf einem Tiefstand. Dass die EZB den Leitzins nun von 0.25 Prozent auf 0,15 Prozent auf ein erneutes Rekord-Tief senkte und gleichzeitig Strafzinsen auf Einlagen verabschiedete, trägt zur Europa-Enttäuschung bei. „Statt der erhofften Impulse für die Wirtschaft in den Krisenländern werden durch die erneute Zinssenkung die Sparer in ganz Europa weiter verunsichert und Vermögenswerte zerstört“, sagt Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn geht noch weiter: „Das ist der verzweifelte Versuch, mit noch billigerem Geld und Strafzinsen auf Einlagen die Kapitalströme nach Südeuropa umzuleiten und so dort die Wirtschaft anzukurbeln.“

Deutsche, Österreicher oder Finnen haben Angst um ihr Geld; die Südländer fürchten, durch die erzwungene Sparpolitik um ihre Zukunft betrogen zu werden. Und die europäischen Institutionen geben keine gelungene Erscheinung ab, wenn es darum geht, einen wirklich zufriedenstellenden Ausgleich zwischen den Interessen zu finden. Dabei ist es nicht nur der Euro, den es zu retten gilt, sondern die gesamteuropäische Idee: Wenn in Frankreich bei einem Referendum nur noch jeder Dritte für den Verbleib in der Union stimmen würde oder England offen mit einem Austritt droht, dann fehlt es an positiven Impulsen für die Bürger.

Vertrauensbildende Maßnahmen wie die Wahl eines Kommissionspräsidenten, der gleichzeitig Spitzenkandidat bei der Europawahl war, oder die Verabschiedung von Wachstumspaketen sind bitter nötig. Es ist mit Freude zu beobachten, dass zumindest im ersten Fall mit der Nominierung von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident der richtige Schritt getan wurde. Ein Aufwachen der Europa-Politik fehlt allerdings noch. Nicht die Wirtschaft ist es, die Europa aus der Krise führen kann - es sind die Europäer selbst.

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